Geschichte der Wehrmachtsauskunftsstelle

Begonnen von Ulla, Di, 06. Juli 2010, 19:24

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Ulla

Quelle: Gesucht wird... Die dramatische Geschichte Suchdienstes   (Autor: Kurt W.Böhme)   (Auszugsweise)

Wechselvolles Schicksal der Wehrmachtsauskunftsstelle

War einer gefallen, verstorben, vermißt, in Gefangenschaft geraten oder interniert worden, so mußte seine Familie davon benachrichtigt werden. Anfangs ging alles glatt. Je länger jedoch das Ringen anhielt, desto mehr zeigte sich, daß die Erfahrungen aus dem Ersten Weltkrieg nicht genutzt worden waren.
Die Waffen hatte man fortentwickelt, das Meldewesen jedoch nicht. Es hätte ein einziges zentrales Amt erfordert, daß sich mit allen Verlusten zu befassen gehabt hätte. Statt dessen betrieben neben der WAST die Waffen-SS, die Polizei, der Sicherheitsdienst, der Reichsarbeitsdienst, die Organisation Todt, die Reichsbahn und die Reichspost in den besetzten Gebieten und manche andere ihre eigenen Auskunfts-und Nachforschungsdienste. Überall mischte sich außerdem die Partei ein. Ihr fehlte es jedoch an Erfahrung, Auslansverbindungen und zweckmäßigen Einrichtungen. So mußte ihr der Erfolg versagt bleiben.
Verlustlisten wie im Ersten Weltkrieg zu veröffentlichen, war aus Gründen der Geheimhaltung verboten, und nicht nur deshalb: die Bevölkerung sollte ja bis zum bitteren Ende in dem Glauben gewiegt werden, der Krieg würde doch noch gewonnen.
Nach der Schlacht von Stalingrad 1943/1944 und nach dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Sommer 1944 versuchten "Abwicklungsstäbe" das Schicksal von Hundertausenden zu klären, doch vergeblich.
Die Ungewißheit um die Ostvermissten wurde zum Nährboden von Gerüchten, die bedrückte Bevölkerung, der auch die WAST nichts sagen konnte, weil ihr von den Ostarmeen keine oder immer weniger Nachrichten zugingen, hörte ausländische Sender ab, um vielleicht auf diesem Wege etwas über ihre Angehörigen zu erfahren. Aber sie erfuhr dort nicht immer die reine Wahrheit. Später sollte sich herausstellen, daß die Namen von Soldaten verlesen worden waren, die angeblich in Gefangenschaft steckten, in Wirklichkeit aber gefallen waren. Die Gegenseite hatte die aufgefundenen Soldbücher aus Propagandagründen zu "Rundfunklisten" verwendet. Als sich die Partei der vielen dringenden Fragen nicht mehr erwehren konnte, gab Goebbels im Oktober 1944 bekannt, Auskünfte über das Schicksal von Wehrmachtangehörigen könnten allein militärische Dienststellen geben.
Jetzt war das Meldewesen plötzlich wieder eine rein militärische Angelegenheit. Sie kam übrigens gegen Kriegsende völlig zum Erliegen.
Die WAST, die für den Nachkriegssuchdienst ein wichtiger Partner wurde, hatte ein wechselvolles Schicksal.
Ende 1943 von Berlin nach Meiningen und Saalfeld in Thüringen verlegt, um die Akten vor der Vernichtung durch Bombenangriffe zu bewahren, konnte sie im Februar 1946 unter amerikanischer Leitung nach Berlin zurück und wurde dort im Juli, einem Beschluß des Kontrollrates zufolge den Franzosen übergeben *, unter deren Aufsicht die Deutschen weiterarbeiten durften.
* Mit Ausnahme der Gräberunterlagen, die in Thüringen von den Sowjets beschlagnahmt worden waren.

Dann geriet sie Anfang 1950 in das Schußfeld des Kalten Krieges. Die Kommunisten beschuldigten im Bundestag die USA, sie seien "heute noch im Besitz der Kartei der ehemaligen Wehrmachtsverluste von Kriegsgefallenen", unterschlügen jedoch die Listen, um "uns Deutsche glauben machen" zu wollen, "in der Sowjetunion seien heute noch Hundertausende von Kriegsgefangenen verschwunden".
Die Amerikaner und die Franzosen erklärten daraufhin im April, seit der Übernahme der WAST seien 1.084.022 Todesanzeigen verschickt worden. Außerdem hätte man den deutschen Landes-und Gemeindebehörden 1.324.000 Auskünfte erteilt und 300.000 Anfragen des Rotesn Kreuzes beantwortet. Die Amerikaner und Franzosen wiesen darauf hin, daß die Gerüchte über eine angebliche Verheimlichung der deutschen Kriegsverluste zum Schaden der Sowjetunion nur in dem Bestreben ausgestreut worden seien, "die Öffentlichkeit von der Tatsache abzulenken, daß die Sowjetunion noch nicht alle deutschen Kriegsgefangenen entlassen hat".
Im Kalten Krieg war eben ein sachliches Gespräch über eine humanitäre Frage nicht mehr möglich.

Gruß Ulla

"Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur ein einziges mal gegeben......" (N.Ostrowski)