Kriegsgefangenenlager 165 - Balachna

Begonnen von md11, Sa, 24. November 2007, 22:23

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md11

"Silvester im Gefangenenlager 165"

Vor vierzig Jahren,südlich von Gorki -Von Ernst Drumm

31. 12. 45. Soeben waren wir von der Verpflegungsfahrt in unser Gefangenenlager 165 südlich von Gorki zurückgekehrt. Unsere Brigade war heute dazu eingeteilt, Verpflegung vom nächstgelegenen Bahnhof in die Lagerküche zu bringen. Das geschah mit schweren Panjeschlitten im Mannschaftszug (drei Stunden Leerfahrt zum Bahnhof und drei bis vier Stunden mit hochbeladenem Schlitten zurück). Mit zehn Schlitten waren wir unterwegs gewesen bei minus neun Grad, tiefem Schnee und einem dichtem Schneetreiben.

Ausgepumpt, müde und naß, erreichten wir unsere unterirdische Baracke (Subljanka), bei der nur das Dach über der Erdgleiche lag. Etwa 12 000 Kriegsgefangene in solchen Unterkünften umfaßte das Lager (Deutsche, Österreicher, Rumänen und Italiener).

Es war bereits dunkel geworden. Wir hängten unsere nassen Mäntel zum Trocknen auf. Bald darauf brachten die Essenholer die Abendkost. Aus großen Holzkübeln gab es eine dünne Graupensuppe, dazu für je zehn Mann ein Brot. Auf der grob gezimmerten Holzpritsche sitzend löffelten wir mit selbstgeschnitzten Holzlöffeln heißhungrig  die Suppe; das Brot wurde eingebrockt.

Dann setzten wir uns, wie jeden Abend, rund um den glühenden Kanonenofen, der laufend mit Holz gefüttert wurde. Gespenstisch. hoben sich die scharfgeschnittenen Gesichter derjenigen Glücklichen  ab, die einen vorderen Platz um den Wärmespender ergattert hatten. Licht gab es in den Baracken längst nicht mehr die anfangs noch vorhandenen Kerzen waren aufgebraucht.

Seit November 1944 waren wir nun schon hier. Unser Sommereinsatz (Roden des Sumpfwaldes, Torfstechen und Verladen), bei dem fast unerfüllbare Normen eine dauernde Verlängerung der Arbeitszeit und immer geringere Ruhezeiten gebracht hatten (keine Brigade durfte einrücken, ohne die Norm erfüllt zu haben) trug die Schuld daran, daß unser Körperzustand immer desolater wurde. Viele Kameraden hatten diesen Einsatz mit ihrem Leben bezahlt.

Unter dem Eindruck des letzten Tages im Jahre 1945 waren die meisten von uns nachdenklich geworden. Man sprach von Zuhause. Was würden Frau und Kinder wohl machen? Waren sie noch am Leben? Da es keine Nachrichten gab, wir auch keine Post erhalten hatten, brodelte die Gerüchteküche. Der Politoffizier des Lagers, eine Russin im Range eines Leutnants der Sowjetarmee, Ehefrau eines aus Nürnberg stammenden deutschen Kommunisten, hatte uns erzählt, daß es in Deutschland laufend Luftangriffe gegeben habe und daß die meisten größeren Städte zerstört seien; Näheres wußte sie nicht.

Aber wir wußten, daß der Krieg zu Ende war; die Kommandantur und die Wachen hatten die Kapitulation Deutschlands tagelang lautstark gefeiert. Der Lagerkommandant hatte uns bei einem Appell als Verbrecher bezeichnet, die nun einen Teil ihrer Schuld in Gefangenschaft abbüßen müßten.

Was aber war aus den Soldaten  der einst so stolzen Wehrmacht geworden? Mit eingefallenen, mageren Gesichtern, Bartstoppeln und verschlissener Bekleidung erwarteten wir das Ende des Jahres.

Ein mitgefangener Feldgeistlicher unterbrach die Stille. Er hatte als einziger noch eine Uhr (bei zahlreichen Filzaktionen hatte man uns alles Wertvolle, Ringe, Uhren und auch persönliche Photographien unserer Angehörigen, abgenommen). Er sprach einige besinnliche Worte und bat uns, nicht zu verzweifeln. Da wachten auch alle Eingeschlafenen auf, und wir wünschten uns gegenseitig eine baldige Rückkehr in die Heimat.

Dann warfen wir uns auf unsere harten Pritschen (Strohsäcke und Bettwäsche hatten wir nicht) und hüllten uns in unsere Mäntel. Trotz heftiger Aktivität der bald zahlreich erscheinenden Wanzen fielen wir rasch in erlösenden tiefen Schlaf. Nur alle 14 Tage, wenn Badezeit war, kamen wir aus unseren Kleidern; sonst wuschen wir uns vor der Baracke mit Schnee.

Morgens nach dem Wecken am 1. Januar 1946 fanden wir, wie schon so oft, wiederum vier Kameraden tot auf ihren Pritschen liegen. Wir hüllten sie in ihre Mäntel, stellten die Erkennungsmarken sicher und trugen sie hinaus in eine am Rande des Lagers stehende Baracke, in der sie zu den schon vorhandenen Toten gelegt wurden. Erst im Frühjahr würde die Bestattung in einem Massengrab möglich sein. Jetzt. war der Boden zu hart gefroren.

Aus einer Unbekannte Zeitung  1985/86

mfg
Josef

Lenz

#1
Hallo,

mein Urgroßvater hat diesen Jahreswechsel nicht mehr erlebt. Er starb ein paar Tage zuvor in diesem Lager.
Laut Auskunft vom DRK München im: Kriegsgefangenenlager 165 Dorf Talizy Gorki.

Ich habe zum Lager 165 die Karte im Thread ganz oben gefunden. Jedoch bräuchte ich Hilfe bei der Zuordnung auf einer Landkarte...
Zunächst: Handelt es sich bei der heutigen Stadt Nischni Nowgorod um Gorki? Und wie ist der Unterschied zwischen der Aussage vom DRK Dorf Talizy Gorki mit der Beschriftung auf der Karte Wjasniki 165 zu erklären? Handelt es sich um den gleichen Ort?

Ich habe wo anders gelesen, dass es sich beim Lager 165 um eine Gruppierung von Lagern, handelt? Ist das die Antwort auf meine Frage? Würde das bedeuten dass der Lagerteil wo mein Ahne umkam näher bei Talizy liegt?

Ich würde mich über Antworten freuen   :smiley:

md11

#2
Hallo Lenz,
Wjasniki (russ. Вязники) ist eine Stadt in der Oblast Wladimir (Russland) mit 42.948 Einwohnern ,die Stadt befindet sich südlich von Gorki.
Wjasniki, sowjet. Stadt in der Zentralregion, Standort der Uprawlenije 165. In W. gab es schon 1943 ein Gefangenen-Lager; die Lagergruppe wurde jedoch erst 1944 gegründet. Sie bestand aus einem Offiziers- und einem Mannschaftslager. Im Okt. 1944 wurden etwa 1,000 Offiziere und 12,000 Mann aus dem Kampfabschnitt Rumänien eingewiesen. Unter den Insassen waren zahlr. Rumänen, später kamen noch Ungarn, Italiener und Japaner hinzu. Infolge der schlechten Lebensverhältnisse starben in W. ca. 4,000 Mann, davon etwa die Hälfte dt. Gefangene.

hier dazu der Kartenabschnitt

mfg
Josef