Die Madonna von Stalingrad

Begonnen von md11, So, 15. April 2007, 18:21

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md11

Am Heiligen Abend 1942 bereitete der Oberarzt Dr. med. lic. theol. Kurt Reuber seinen Kameraden im Kessel von Stalingrad eine eigenartige und eindrucksvolle, unvergeßliche Weihnachtsfreude, die ihnen zugleich zu einer starken Hilfe wurde. Als die Männer den notdürftig gegen Kälte und Geschosse schützenden Bunker zur einsamen Weihnachtsfeier unter den Schatten des Todes betraten, standen sie »wie gebannt, andächtig und ergriffen schweigend vor dem Bild« einer Mutter, die im weiten Mantel ihr Kind birgt. Dieses unter vielen Mühen mit Kohle auf der Rückseite einer großen russischen Landkarte gezeichnete Bild wurde bald die »Weihnachtsmadonna von Stalingrad« genannt und ist unter diesem Namen bereits weithin bekannt worden. Das Bild ist aus dem Kessel herausgekommen.Während Reuber die Gefangenschaft selbst nicht überlebte, gelangte das Bild mit einem der letzten Flugzeuge in die Hände der Familie, die es 1983 auf Anregung von Bundespräsident Karl Carstens der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin übergab. In der Kirche hängt damit eines der beeindruckendsten Marienbilder zur Anregung für Gedenken und Gebet und zur Erinnerung an die Gefallenen und Mahnung zum Frieden.

six.darkness

hallo Josef,

bitte entschuldige wenn ich wiederspreche,die Madonna von Stalingrad hängt in Berlin in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Kurt Reuber ist nicht verschollen sondern in Kriegsgefangenschaft gestorben.
Es gibt eine zweite Madonna von ihm die in der Gefangenschaft entstanden ist. Ich such mal ob ich die finde.

gruss

Roman
Niemand sollte Vergangenes mit dem Maßstab von Heute beurteilen.

six.darkness

hab leider kein Bild gefunden aber dass hier.

Zitat:

Ein Jahr, nachdem Kurt Reuber dieses Bild geschaffen hatte, malte er ein ähnliches Bild, wieder um die Weihnachtszeit, diesmal in einem Kriegsgefangenenlager, 1 000 Kilometer nord-ostwärts von Stalingrad in Jelabuga, für die Gefangenenzeitung. Wiederum entstand ein Bild von Mutter und Kind, die ,,Gefangenen-Madonna". Auch diesmal gelang es, Wochen später, das Bild an Kurt Reubers Frau zu übergeben, gleichzeitig mit der schlimmen Nachricht, dass Kurt Reuber nach schwerer Krankheit am 20. Januar 1944 im Lager gestorben sei.

Zitat Ende

gruss

R.
Niemand sollte Vergangenes mit dem Maßstab von Heute beurteilen.

Arturo

Lieber Roman,

 wenn Du meine letzte Antwort im Forum gelesen hast,so wirst Du
 verstehen,das ich nur an Freunde antworte,die mich verstehen.
 Du hast Recht.Reuber hat zweimal die Madonna gemalt.
 Kurt Reuber war Artzt,Teologe,und Kuenstler.Die Tochter von Kurt,
 schenkte mir eine Kopie von allen Bildern die er in Russland auf der
 Rueckseite von russischen Karten mahlte.
 Ich habe sie alle in meinem kleinen Museum.In dem Film,
 den ich Dir senden werde,da kannst du sie alle sehen.Kurt,hatte sie
 mit Kohle gezeichnet.Fuer mich sind sie sehr wertvoll.

 Einen solchen Film werde ich auch an Josef senden.Er hatt es sich verdient.
 Dein Freund und Kamerad
 Arthur Krueger.

md11

#4
Hallo,
Arturo hat mir dieses Bild hier zu Verfügung gestellt!

Danke Arturo

Gruß
Josef

Arturo

Lieber Josef ,
 
 Ich weiss nicht ob ich Dir schon die zweite Madonna von Stalingrad
 gemailt habe,ich sende sie noch heute Abend.
Reuber hat sie zu Weihnachten 1943 gezeichnet.Sie ist dunkler und
bringt eine gewisse Hofnungslosigkeit zum Ausdruck.

 Arturo.

Ulla

#6
Den Zeitungsartikel hab ich bei uns gefunden.

Beim Volksbund ist vermerkt:

Dr. Kurt Reuber    - Oberarzt -
geb.: 26.05.1906 Kassel
gest.:21.01.1944 im Kriegsgefangenenlager 97 Jelabuga

Er ruht auf den wiederhergerichteten Kriegsgefangenenfriedhof Jelabuga - Rußland

Ulla


Gruß Ulla

"Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur ein einziges mal gegeben......" (N.Ostrowski)

adrian

Hallo Ulla,

vielen Dank für diesen Artikel. Immer wieder bekomme ich eine Gänsehaut, wenn ich solche Abhandlungen lese. Aber ich bin dankbar, über unsere Vätergeneration etwas mehr zu erfahren, als wir bisher wussten und deshalb ist mir dieser Bericht vom Klaus Fichtner sehr wertvoll. Ich habe schon viel über Stalingrad gelesen, hatte es aber nicht verinnerlicht, das Kurt Reuber in Jelabuga begraben ist und sein Grab noch oder wieder existiert.

Gruß Werner
Suche alles zur 60. Inf.Div. (mot.) (Danziger Division) bis Stalingrad

md11

#8
Arno Pötzsch (Gedicht 1945)
Stalingrad

Was ihr erduldet- niemand kann's ermessen,
wenn wir's auch liebend oft und oft bedächten –
in jenen Tagen und in langen Nächten
und, wie es schien, von Welt und Gott vergessen;

da jähe Zweifel sich ins Herz gefressen
und wie Verbannte ihr in Todes Schächten,
verzehrt von Kälte, Hunger und Gefechten
schon wie in Gräbern, lebend noch, gesessen –

was ihr erduldet, keiner wird's erzählen
mit jenen Worten, die die Sprache nennt.
Zu solchen Leiden kann nur Gott erwählen,

und die erwählt in Todes Rachen blieben,
die sind von Gott, der die Erwählten kennt,
mit ihren Leiden in sein Herz geschrieben.


Gruß
Josef

Ulla

#9
Licht - Leben - Liebe         von Karl-Wilhelm Lange
- Auszug -

Die Stalingrad-Madonna - ihr Weg und ihre Wirkung

Im Jahre 1939 zerstört der Krieg alle Lebenspläne des jungen Pfarrers Kurt Reuber, reißt ihn aus seiner Familie und aus seiner Gemeinde im dörflichen Wichmannshausen und führt den im Zweitstudium an der Universität Göttingen soeben promovierten Mediziner als Truppenarzt zu einem Panzerregiment der 6.Armee.

Voller Bewunderung blicken wir auf das reiche Leben des am 20.Januar 1944 im russischen Kriegsgefangenenlager Jelabuga mit 39 Jahren früh Vollendeten. Als Seelsorger und Theologe, als Mediziner und Arzt, vor allem aber durch sein künstlerischen Werk hat er uns ein bis in die Gegenwart wirkendes Vermächtnis hinterlassen.

Seine etwa 170 Kreise-und Bleistiftzeichnungen, ganz überwiegend Porträts russischer menschen, sind ein einzigartiges künstlerisches Dokument einer Versöhnung mitten im Krieg. Denn im offenen Wiederspruch zu den Parolen der nationalsozialistischen Propaganda vom bolschewistischen Untermenschentum zeichnet er die Frauen und Männer, die Mädchen und Jungen, die Handwerker und die russischen Gefangenen, die er "Kameraden" nennt, als Brüder und Schwestern im gemeinsamen Leid, als Ebenbilder Gottes in ihrer unverwechselbaren Individualität, in ihrer kindlichen Unschuld, in ihrer Schönheit und Würde.

Am 18.November 1942 kehrt er von seinem einzigen Heimaturlaub zu seiner Einheit zurück, wenige Tage bevor die sowjetischen Armeen den Ring, um Stalingrad schließen und den Untergang der 6.Armee besiegeln.

Hier schuf er zu Weihnachten 1942 mit einfachsten technischen Mitteln auf der Rückseite einer russischen Landkarte mitten in heftigen Abwehrkämpfen, die ihn als Arzt bis an die Grenzen seiner Kraft beanspruchten, sein berühmt gewordenes Bild, die Festungsmadonna, um seinen Kameraden eine Freude zu machen und den Bunker seiner Einheit für die Bescherung am Heiligen Abend zu schmücken.

Kurt Reuber hat sein Madonnenbild nach dem Vorbild der alten Meister gestaltet: als thronende Jungfrau Maria, das neugeborene Christuskind in den Armen haltend, geborgen im weiten Faltenwurf ihres Gewandes und umgeben durch die Worte aus dem Evangelium und den Briefen des Johannes:  Licht - Leben - Liebe.

In dieser von Menschen verursachten und zu veranwortenden Hölle Stalingrads, aus Kälte, Dunkelheit und Einsamkeit, aus Haß, Hunger und Gewalt, aus äußerster menschlicher Entfremdung, aus Ungeborgenheit und vieltausendfachem Sterben, aus dem apokalyptischen Wüten dieser Schlacht, vernehmen wir Weihnachten 1942 Gottes gute Botschaft für die Menschen:
           Ich bin das Licht der Welt (Joh.8 V.12)

           Ich bin die Auferstehung und das Leben (Joh.11 V.25)

           Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott (1.Joh.4 V.16)

Als am 7.Januar 1943 Kurt Reubers Kommandeur schwer verletzt aus Stalingrad ausgeflogen wird, gibt er ihm zusammen mit der Festungsmadonna und einigen seiner ergreifendsten, in den letzten Tagen entstandenen Zeichnungen auch einen Brief an seine Frau Martha nach Wichmannshausen in die Heimat mit.
Darin spricht er aus, was ihm als Seelsorger, als Arzt und Künstler in diesen schwersten und hoffnungslosen Tagen seines Lebens am Abgrund des Todes bewegt, trägt und hält: "Wie eine große Plastik stehen die Worte des Psalms vor mir, die mir jetzt so bedeutungsvoll werden, wie ich es nie ahnte: Bettete ich mich in die Hölle, siehe, so bist Du auch da".

Und bis heute betrachtet eine millionenfache Öffentlichkeit die Stalingradmadonna, als eine Ikone christlichen Glaubens, als Symbol für die Kraft der Liebe mitten im totalen Krieg, als Auftrag, für den Frieden zu wirken und zur Versöhnung unter den Völkern beizutragen.

Ganz in diesem Sinne übergaben am 26.August 1983 die Geschwister Hartmute, Ute und Erdwin Reuber das Madonenbild als Dauerleihgabe an den Gemeindevorstand und das Kuratorium der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Hier finden wir es seitdem im Kirchenschiff gleich rechts neben dem Haupteingang an einem Ort, der wie kein zweiter in Deutschland zum Symbol der Erneuerung und des Friedens geworden ist, der dem kirchlichen Leben wie dem stillen Gebet dient, und der sich zugleich einem pulsierenden Besucherstrom aus aller Welt mitten im Herzen der Hauptstadt öffnet.
Von hier aus knüpfte der Gemeindevorstand der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche die Verbindung nach Coventry und stiftete der dortigen Kathedrale am 14.November 1990 eine Kopie des Bildes zur Erinnerung an den 50.Jahrestag ihrer Zerstörung durch die deutsche Luftwaffe.

Am 10.Mai 1995 vollendete sich der lange Weg des Madonnenbildes. Es kehrt nach über fünfzig Jahren zurück an den Ort seiner Entstehung, als Delegation der evangelischen Kirche von Berlin-Brandenburg, unter Leitung von Bischof Huber eine Reproduktion an Erzbischof German, das Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche, für seine Kathedrale in Wolgograd übergab.

Die Gebete der Christen in Wolgograd vereinigen sich mit denen der Christen in Berlin und Coventry zu einem vielstimmigen Chor mit der Bitte um Licht, Leben, und Liebe für die ganze Welt.

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Gruß Ulla

"Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur ein einziges mal gegeben......" (N.Ostrowski)