Autor Thema: Kampf um Kreta  (Gelesen 1294 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline md11

  • Global Moderator
  • Dauerschreiber
  • *****
  • Beiträge: 4.738
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« am: Fr, 09. Februar 2007, 23:33 »
Am 20.Mai 1941 starten deutsche Fallschirmjäger zum ersten großen Luftlandeunternehmen der Kriegsgeschichte.
<p>
Der 20. Mai 1941 ist ein strahlender Sonnentag. Die Bewohner der kleinen Stadt Megara horchen staunend: Vom Feldflugplatz nahe der Stadt dröhnt unablässig und laut wie nie zuvor Motorenlärm herüber. Und dann sehen sie es: Kette auf Kette der bulligen, 3motorigen Ju 52 hebt von der staubigen Piste ab. Hinter sich schleppen die Maschinen, an einem Seil hängend, ungefüge, lautlose Vögel: Lastensegler.
<p>
Neun bis 11 Mann hocken jeweils in einer solchen Kiste, eng hintereinander auf einer Art Reitbalken in der Mitte der Maschine, schwer bepackt mit Waffen und Gerät, in diesem Fall auch Schwimmwesten, denn der Flug geht über See.
<p>
Oberleutnant Genz, 25 Jahre alt, Chef der 1. Kompanie im I. Batallion des Fallschirmjäger-Sturmregiments, steht noch neben dem Lastensegler, mit dem er fliegen wird, will gerade, als letzter, einsteigen, da kommt ein Kurier übers Flugfeld gerast, bringt dem Kompaniechef einen Befehl. Der blickt aufs Datum, wundert sich - der Befehl hätte ihn schon vor zwei Tagen erreichen sollen. Dann liest er.
<p>
„Mir wurde ganz schön flau im Magen", erinnert sich Oberst a. D. Genz heute an jenen Augenblick, „denn da stand als 1. Ziffer, das war damals immer die sogenannte Feindziffer: Entgegen der bisherigen Annahme ist auf der Insel nicht mit Feind in Stärke von ca. 12. 000 sondern in Stärke von ca. 48. 000 Mann zu rechnen.“ Kein Wunder, daß dem Oberleutnant mulmig wird. Zwar kennt er als Kompaniechef im wesentlichen nur seinen Kampfauftrag und den der Nachbareinheiten, aber nicht den Gesamtplan der Operation - doch daß mit der ersten Welle bestenfalls knapp 4000 Fallschirmjäger auf Kreta abgesetzt werden können, das weiß Oberleutnant Genz.
<p>
4000 Leichtbewaffnete- nur Pistole, MG, Handgranaten und Granatwerfer- gegen eine mehr als zehnfache Übermacht in befestigten Stellungen, mit Artillerie und Panzern . . . „Kommen Sie rein, Herr Oberleutnant, wir sind dran!" brüllt aus dem Lastensegler der Spieß der 1. Kompanie.
<p>
Nicht nur die Männer hinter Oberleutnant Genz,die meisten der knapp 4000 Mann in Ju's und Lastenseglern wissen nicht, welcher Hölle sie entgegenfliegen. Gewiß, es sind ausnahmslos Freiwillige, hervorragend ausgebildet für risikoreiche  Spezialeinsätze, durchaus der Tatsache  bewußt, daß sie bei ihrer Kampfart näher  am Tod sind als andere Soldaten. Aber daß nur jeder zweite von ihnen den nächsten Morgen erleben wird, das ahnen sie  nicht.
<p>
Noch weniger ahnt Oberleutnant Genz,  was sich inzwischen hinter ihm abspielt. Da erheben sich über den Feldflughäfen  Tanagra, Korinth und Megara immer dichter werdende Staubwolken, aufgewirbelt  vom Propellerwind der in rascher Folge startenden Maschinen.
<p>
Daran hat keiner gedacht, jedenfalls nicht gründlich genug. Zwar hat man so ein Gefüht gehabt und die knochentrockenen Pisten am Morgen vor den ersten Starts mit Wasser bespritzt. Doch das hilft nicht lange, nur gut die Hälfte der Maschinen kommt einigermaßen zeitplangerecht aus den Plätzen heraus; dann ist der Staub so dick, daß Startverzögerungen nicht mehr zu vermeiden sind.
<p>
Bei einem Luftlandeunternehmen, bei dem es entscheidend darauf ankommt, daß die ohnehin schwachen Kräfte genau dann da sind, wo sie sein sollen, kann das schon tödlich sein.
« Letzte Änderung: Fr, 02. Juli 2010, 18:29 von Ulla »

Offline md11

  • Global Moderator
  • Dauerschreiber
  • *****
  • Beiträge: 4.738
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« Antwort #1 am: Fr, 09. Februar 2007, 23:36 »
Viele hundert andere bewegen sich um dieselbe Zeit ebenso nichtsahnend dem Tod entgegen: Gebirgsjäger der 5. Gebirgsdivision, jener Einheit, die kurze Zeit zuvor in dreitägigen erbitterten Kämpfen die schwerbefestigte griechische Metaxas-Linie durchbrochen hat.

Man hat die kampferfahrenen Männer dieser Elitetruppe auf Kaiks verladen, gebrechliche Motorsegler, die meisten uralt, mit archaischen Petroleummotoren, denen man mal mehr, dann wieder nur weniger Leistung abverlangen kann, sofern man sie überhaupt am Laufen halten will. Die griechischen Eigner, von denen man diese Kaiks requiriert hatte,störten die Eigenheiten ihrer Schiffchen wenig; für einen zeitlich exakt geplanten Truppentransport über See waren sie das denkbar ungeeignetste Beförderungsmittel. Sie konnten gar nicht zur rechten Zeit da ankommen, wo sie sollten, und sie taten es auch nicht.

So begann an diesem 20. Mai das bis dahin größte Luftlande-Unternehmen der Kriegsgeschichte: der für seine Zeit nachgerade abenteuerliche Versuch, eine große, 260 Kilometer lange Insel inmitten eines von einer starken feindlichen Flotte beherrschten Meeres aus der Luft zu erobern.

Die Urheberschaft dieses Planes ist etwas umstritten, sie wird sowohl dem Kommandeur der Luftflotte 4, Generaloberst Alexander Löhr, als auch dem Schöpfer der Fallschirmtruppe, General der Flieger Kurt Student, zugeschrieben. Sicher ist, daß Löhr schon Ende 1940 seinen Stab Studien über den Südostraum anfertigen ließ. In Löhrs Vorstellungen rangierte allemal England als vorrangiger Kriegsgegner; er war überzeugt, daß man Ägypten und den östlichen Mittelmeerraum in Besitz nehmen müsse, um mit England fertig zu werden. Löhr (in einem Brief an den befreundeten Oberst Diakow): „Als ich im Herbst 1940 die Verantwortung für den Schutz der rumänischen Ölquellen und für die Vorbereitung des Feldzuges durch Bulgarien nach Griechenland bekam, sah ich darin vor allem einen erfreulichen Schritt in der Richtung auf Ägypten."

Hitler sah das keineswegs so, seine Absichten reichten zunächst nur bis zur Inbesitznahme des griechischen Festlandes - verständlich, weil Hitlers Blick auf die Sowjetunion fixiert war. Er empfand den ihm von Mussolini und den jugoslawischen Putschisten aufgenötigten Balkan-Feldzug ohnehin als eine möglichst schnell zu beendende Störung seiner größeren Pläne.

Offline md11

  • Global Moderator
  • Dauerschreiber
  • *****
  • Beiträge: 4.738
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« Antwort #2 am: Fr, 09. Februar 2007, 23:43 »
Hitler mußte also erst überzeugt werden, und zuvor noch einige mehr. Generaloberst Löhr besprach sich zunächst, als sich der schnelle Erfolg des Balkanfeldzuges abzuzeichnen begann, mit dem Stabschef seiner Luftflotte, General Korten. Sie waren sich rasch einig, daß die Eroberung Kretas der richtige nächste Schritt auf dem Weg nach Ägypten wäre. Löhr trug diese Idee am 15. April Göring vor, doch der Reichsmarschall zeigte wenig Interesse. Zugleich sprach Korten mit dem Generalstabschef der Luftwaffe, General der Flieger Jeschonnek, darüber, und der war von dem Gedanken angetan. Ob nun von Jeschonnek dieser Plan an Göring und Hitler herangetragen worden ist, oder ob General Student zufällig gleichartige Gedanken entwickelt hatte - sicher ist, daß Luftlandespezialist Student am 20. April zu Göring und am nächsten Tag zu Hitler ins Führerhauptquartier (damals in Mönichkirchen) zum Vortrag befohlen wurde.

Es gab eine lange Debatte, ob Kreta oder die schon schwer bombardierte Inselfestung Malta das IohnendereZiel für eine Luftlande-Operation sei; Student überzeugte schließlich Göring und Hitler, daß Kreta erobert werden müsse. Es gab dafür ein - auch Hitlers Gedankengängen naheliegendes - einleuchtendes wehrstrategisches Argument: Die rumänischen Ölquellen in Ploesti, sozusagen Nährmutter der stark motorisierten deutschen Militärmaschinerie, lagen kaum von Malta, aber sicher von Kreta aus in der Reichweite britischer Bomber.

Man tut General Student gewiß nicht unrecht, wenn man annimmt, daß für ihn noch etwas anderes in die Waagschale fiel: Er wollte sicher auch am Beispiel zeigen, welcher Leistung „seine" Luftlandetruppen fähig sind. So stimmte Hitler schließlich dem Angriff auf Kreta zu, jedoch nicht, ohne Bedingungen daran zu knüpfen: Zum einen mußte das Unternehmen möglichst bald gestartet und schnell abgewickelt werden, damit die dafür benötigten Einheiten und vor allem der Lufttransportraum rechtzeitig für den Aufmarsch gegen Rußland zur Verfügung stünden. Überdies verlangte Hitler, daß der Angriff auch über See vorgetragen werden müsse, damit man „nicht auf einem Bein" stehe.

Luftwaffenoberbefehlshaber Göring steuerte in dieser Unterredung gleich einen taktischen Vorschlag bei: Es sei am besten, die langestreckte Insel auf breitester Front anzugreifen, sie von möglichst vielen Punkten aus überall gleichzeitig in Besitz zu nehmen. Merkwürdigerweise nahm General Student diesen Gedanken auf, obschon er wissen mußte, daß mit dem zur Verfügung stehenden Lufttransportraum nur bedenklich kleine Einheiten gleichzeitig an vielen Punkten abgesetzt werden konnten. Students erster Entwurf für einen Angriffsplan sah sieben Absetzpunkte entlang der Nordküste vor. Das entsprach überhaupt nicht den Vorstellungen von Löhr, dem der Oberbefehl der gesamten Operation übertragen worden war- übrigens das erste Mal, daß ein Fliegergeneral eine kombinierte Operation von Land-, See- und Luftstreitkräften kommandierte.

Der endgültige Angriffsplan sah so aus: Es sollten gleichzeitig die drei Flugplätze an der Nordküste- Malemes, Rethymnon und Iraklion sowie die Hauptstadt Chania mitdem benachbarten einzigen leistungsfähigen Hafen Kretas in der Suda-Bucht in Besitz genommen werden.

Offline md11

  • Global Moderator
  • Dauerschreiber
  • *****
  • Beiträge: 4.738
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« Antwort #3 am: Sa, 10. Februar 2007, 00:00 »
Voraussetzung für den Erfolg eines solchen Angriffs aus der Luft in einem noch nie dagewesenen Umfang ist eine gründliche, detailgenaue Vorbereitung. Diese Regel war auch bei allen bisherigen Luftlandeunternehmen eingehalten worden Musterbeispiel Eben Emael. Ähnliches war beim Unternehmen „Merkur" nicht möglich, dazu fehlte es einfach an Zeit. Die Führerweisung Nr. 28, die den Angriff befahl, trägt das Datum vom 25. April, als Angriffstermin war Mitte Mai vorgesehen - so blieben für die Vorbereitung nur drei Wochen, und das unter widrigsten Umständen. Denn: der größte Teil der Fallschirmtruppen sowie ihres Versorgungs und Nachschubmaterials, wie Waffenbehälter, Munition und sonstiges Gerät, befanden sich teils in Frankreich, teils in Deutschland; es war zudem anfangs ~ durchaus fraglich, ob es überhaupt möglich sein würde, die erforderlichen großen Treibstoff- und Munitionsmengen über das zerstörte griechische Verkehrsnetz rechtzeitig zu den Absprunghäfen zu bringen.

Diese kleinen Flughäfen waren in einem wenig vertrauenerweckenden Zustand: Die Bodenorganisation war noch ausgesprochen mangelhaft, es fehlte an wichtigen technischen Einrichtungen, beispielsweise war die Betankung der Maschinen nur per Handpumpe aus Fässern möglich.

Dieser Schwierigkeiten wurden jedoch Löhr, Student, von Richthofen (Kommandeur desVlll. Fliegerkorps) und ihre Stäbe mit Meisterleistungen an Organisation und Improvisation Herr. Auf einem anderen Gebiet gelang ihnen das nicht: Es gab kein klares Bild der Feindlage. Man glaubte anfangs nur 12-15 000 Mann britische, neuseeländische und griechische Truppen auf der Insel. Die Luftaufklärung ließ keine allzu starken befestigten Stellungen vermuten, und von der Inselbevölkerung nahm man an, daß sie sich an einem Widerstand gegen die deutsche Invasion nicht beteiligen würde.

Davon stimmte nichts. Einzelne Truppenoffiziere spürten diesen Mangel und versuchten sich auf eigene Faust zusätzlich Informationen zu verschaffen.

Oberst Genz erinnert sich: „Ich habe damals, einen Tag vor dem Einsatz, den Hauptmann Lampertsdörfer, das war der Staffelkapitän unserer Aufklärungsstaffel, noch gebeten, doch mal aus dem Winkel, aus dem wir anfliegen würden, das Angriffsziel meiner Kompanie zu fotografieren. Unser Kampfauftrag war, eine schwere Flakbatterie am Stadtrand von Chania zu nehmen und zu zerstören.  Lampertsdörfer brachte mir dann auch ein  ausgezeichnetes Foto, darauf war ganz deutlich die schwere Batterie zu erkennen, drumrum etwas leichte Flak und etliche MG-Nester, offenbar zum Schutz der schweren Batterie. Aber davor, wo wir landen sollten, in einem Olivenhain - jeden Baum konnte man erkennen- waren auf dem Bild so komische weiße Ecken. Dauerte eine ganze Weile, bis wir drauf kamen, daß das Zelte waren. Die haben wir dann ausgezählt, waren so ungefähr 40. Nach unseren Maßstäben war mit etwa 5 bis 7 Mann pro Zelt zu rechnen, also so um die 200 Mann. War 'ne ganz neue Lage!"

Immerhin, der Oberleutnant Genz wußte nun wenigstens einigermaßen genau, was zu erwarten war - die meisten Einheitsführer ahnten nicht, auf wie starken Widerstand sie stoßen würden.

Offline md11

  • Global Moderator
  • Dauerschreiber
  • *****
  • Beiträge: 4.738
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« Antwort #4 am: Sa, 10. Februar 2007, 00:06 »
Der britische Inselkommandant, General Freyberg, ein schlachterfahrener, 27mal verwundeter Haudegen aus Neuseeland, hatte zur Verteidigung der Insel zur Verfügung:

1. Seine eigene 2. neuseeländische Division (7500 Mann) - eine Einheit, die als Elitetruppe galt und in der auch ein Bataillon Maoris kämpfte, schreckenerregende dunkelhäutige Gestalten, Ureinwohner Neuguineas.

2. Die 19. australische Brigade, ca. 6500 Mann, gute Kampftruppen.

3. Ca. 17 000 Mann verschiedener britischer Verbände, zum größten Teil Reste des aus Griechenland evakuierten britischen Expeditionskorps.

4. Elf griechische Bataillone mit je 1000 Mann.

Außerdem waren den Inselverteidigern noch etwa 8000 kretische Partisanen, gut bewaffnet und von britischen, Offizieren ausgebildet, zuzurechnen. Denn die Annahme der deutschen Führung, die Kreter würden die Invasion, wenn nicht wohlwollend, so doch mindestens passiv hinnehmen, war eine weitere Fehleinschätzung der Feindlage.

Und General Freyberg wußte auch, wann der Angriff kommen würde: Die Engländer waren lange genug in Griechenland gewesen, um dort ein gut funktionierendes Nachrichtennetz aufzubauen. So sehr man sich auf deutscher Seite Mühe gab, das Vorhaben geheimzuhalten - bei dem Umfang und dem Tempo der Vorbereitungen war das einfach nicht möglich. Der eigentliche Überraschungseffekt - wesentliche Erfolgsvoraussetzung für Luftlande-Unternehmen - fehlte also auch. Bei diesen massiven Vorteilen wären die Verteidiger schier unüberwindlich gewesen, wenn es ihnen nicht an einem gemangelt hätte: Freyberg hatte genügend Truppen, Seestreitkräfte waren auch da, nur in der Luft, da war nichts.

Offline md11

  • Global Moderator
  • Dauerschreiber
  • *****
  • Beiträge: 4.738
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« Antwort #5 am: Sa, 10. Februar 2007, 00:19 »
Gesamt Karte
« Letzte Änderung: Fr, 02. Juli 2010, 18:29 von Ulla »

Offline md11

  • Global Moderator
  • Dauerschreiber
  • *****
  • Beiträge: 4.738
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« Antwort #6 am: Sa, 10. Februar 2007, 00:33 »
Ausschnitt aus einer Zeitschrift
« Letzte Änderung: Fr, 02. Juli 2010, 18:29 von Ulla »

Offline md11

  • Global Moderator
  • Dauerschreiber
  • *****
  • Beiträge: 4.738
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« Antwort #7 am: Sa, 10. Februar 2007, 10:52 »
Das war auch auf deutscher Seite klar gewesen: Nur bei totaler Luftherrschaft konnte der Angriff gewagt werden, und die hatte das VIII. Fliegerkorps schon vor dem Angriff erkämpft. Die schwachen britischen Luftstreitkräfte hatten dem Ansturm der Luftwaffe nichts entgegenzusetzen, ausreichende Reserven, die hätten herangeführt werden können, gab es nicht - so nahm man diesen Mangel, durchaus im Bewußtsein der sonstigen Überlegenheit, in Kauf und zog um den 15. Mai herum die letzten in Kreta verbliebenen einsatzfähigen Maschinen und Besatzungen ab, um sie nicht sinnlos zu opfern.

Hinzu kam ein zweiter Mangel, mit dem General Freyberg sich herumquälte: Es haperte mit den schnellen Nachrichtenverbindungen, es fehlte an zuverlässigen Funkgeräten, und damit an der Möglichkeit, schnell klare Lagebilder zu gewinnen und die zwar guten, aber doch zusammengewürfelten Verbände koordiniert zu steuern. Immerhin fühlte sich Freyberg trotz dieser Mängel so sicher, daß er am 5. Mai an Churchill telegrafierte: „Kann Nervosität nicht begreifen. Bin nicht im geringsten wegen Luftlandeangriff besorgt . . ."

Als am frühen Morgen des 20. Mai der Angriff beginnt, da sieht es bald so aus, als solle Freyberg mit seinem Optimismus recht behalten. Die Ouvertüre ist ein einstündiger Feuerorkan, mit dem Bomber, Zerstörer und zuletzt Stukas die Flakstellungen und Befestigungen rings um die Flugplätze Malemes, Rethymnon und Iraklion überziehen. Als um 7 Uhr 10 die letzten Stukas abfliegen, sind die Plätze vielleicht für den Augenblick sturmreif, vielleicht auch die Männer in den nicht direkt getroffenen Stellungen unter dem Eindruck des infernalischen Bombenhagels für kurze Zeit benommen - jetzt sollten die ersten Lastensegler landen, die ersten Fallschirmjäger springen. Doch sie sind noch nicht da.

Die Startverzögerungen durch Staub wirken sich aus; die ersten, pünktlich gestarteten Gruppen müssen auf die verspätet gestarteten warten, und so können die Verteidiger sich erholen. Als - gut eine halbe Stunde später - die Lastensegler des I. Bataillons des Fallschirmjäger-Sturmregiments zur Landung im und neben dem ausgetrockneten Bett des Tavronitis-Flusses, direkt beim Flugplatz Malemes, zur Landung ansetzen, schlägt ihnen wütendes Abwehrfeuer entgegen. Einige Maschinen werden noch in der Luft von Maschinengewehrgarben durchsiebt; andere, kaum daß sie in dem steinigen Gelände mit krachend splitternden Kufen zum Stehen gekommen sind. Einige Lastensegler fliegen zu tief an und zerschellen an den steilen Küstenfelsen; andere verlieren die Orientierung.

Allmählich erkennen die Jäger, die dem Massaker entkommen sind, daß die Stellungen, in denen sie aufgrund der Luftbilder den Feind erwarteten, Scheinstellungen sind; die echten Stellungen sind glänzend getarnt, kaum zu sehen. Vor allem die Hänge des terrassenförmigen Hügels direkt hinter dem Flugplatz- Höhe 107 - sind mit MG-Nestern förmlich gespickt, deren Feuerbereich den Flugplatz und das angrenzende Tavronitis-Tal überdeckt. Über den Jägern, die sich, in wilden Sprüngen durch das Feuer hetzend, zu ersten kleinen Gruppen sammeln, dröhnen die Motoren der nächsten Transportmaschinen: Nun springen das III. und IV. Bataillon des Sturmregiments.

Das III. Bataillon landet, ostwärts des Flugplatzes, mitten in den Stellungen der Neuseeländer. Die Männer haben keine Chance, sich zu sammeln, an ihre Waffenbehälter heranzukommen. Ihr kurzer, verzweifelter Kampf, nur mit Pistole oder Maschinenpistole, zum Teil auch Mann gegen Mann mit Klappmesser oder dem I kurzstieligen, scharfgeschliffenen Schanzspaten - der sich in den nächsten Tagen noch mehrfach als wirksamste Nahkampfwaffe erweisen soll - dieser kurze Kampf inmitten einer vielfachen Übermacht ist aussichtslos; binnen weniger Minuten sind über die Hälfte der Offiziere tot, die anderen fast alle verwundet, das Bataillon aufgerieben. Nur ein kleiner Rest kann sich unter Oberleutnant Trebes, dem einzigen überlebenden Offizier des Bataillonsstabes, aus der feindlichen Stellung lösen und sich zum IV. Bataillon durchschlagen.

Das IV. Bataillon ist gleichzeitig westlich des Flugplatzes abgesprungen und hat mehr Glück gehabt. Zwar ist auch hier der Widerstand stark, etliche Gruppen müssen sich mühsam an ihre Waffenbehälter herankämpfen, aber das ist wenigstens möglich, das Bataillon kann sich, noch leidlich kampfkräftig, sammeln.

Dabei allerdings, während er seine Männer einweist, wird der Kommandeur des Sturmregiments, General Meindl, der mit diesem Bataillon gesprungen ist, aus  nächster Nähe schwer verwundet- Oberarm-, Brust- und Bauchwanddurchschuß.

Doch der General, notdürftig versorgt und in den Schutz einer inzwischen genommenen Häusergruppe geschleppt, führt  seinen bitter dezimierten Verband vorerst weiter.Erst eine Stunde tobt der Kampf, doch  längst sind die Männer samt und sonders klatschnaß gescnwitzt, die Kehlen ausgedörrt. Denn das kommt zu allem Unglück noch hinzu: es ist brütend heiß, an die 40 Grad im Schatten und die Fallschirmjäger sind „angezogen wie für Narvik" (so wörtlich Oberst Heidrich).

Die Verluste sind grausam, aber immerhin, die Fallschirmjäger haben sich an einer Brücke über den Tavronitis und in der angrenzenden Ecke des Flugplatzes einigermaßen festsetzen können. Eins ist klar: Wer die Höhe 107 hat, hat auch den Flugplatz. Also versuchen sie, die feindlichen Stellungen dort zu stürmen. Doch dazu reichen die Kräfte nicht, der Angriff bleibt auf halber Höhe des Hanges im mörderischen Feuer der Verteidiger liegen.

Zur gleichen Zeit wie bei Malemes begann der Angriff im Bereich der Hauptstadt Chania und der angrenzenden Suda-Bucht. Noch ehe die Spitze der hier angreifenden Gruppe die kretische Küste erreichte, hatte sie ihre Führung verloren: Generalleutnant Süßmann, Kommandeur der 7. Fliegerdivision, und sein gesamter Stab flogen den Angriff in einem-vermutlich erheblich überladenen - Lastensegler mit. Der Segler geriet auf halbem Wege in den Propellerschwall eines zu dicht überholenden Bombers, begann wild zu schütteln. Der Pilot löste das Schleppseil, versuchte zu einer Notlandung anzusetzen, doch da brachen die Flächen weg, der Rumpf zerschellte auf den Felsen der Insel Ägina, niemand überlebte.

3.generation

  • Gast
Kampf um Kreta
« Antwort #8 am: Sa, 10. Februar 2007, 12:35 »
Tag,

und noch ein Kärtchen zu Kreta:

http://img231.imageshack.us/my.php?image=germanassaultoncreteqo1.jpg

Grüße
Manuel

Offline harbec

  • Doppel-As
  • *
  • Beiträge: 143
  • Country: 00
  • Geschlecht: Männlich
Kampf um Kreta
« Antwort #9 am: Sa, 10. Februar 2007, 12:50 »
hallo!

- dazu noch das passende buch:
"fallschirmjäger auf kreta"

- von jean-yves nasse aus dem motorbuch-verlag
- kostenpunkt: 29.90 €
- interessante berichte
- viele skizzen/lagekarten
- sehr viele foto's
- flugbücher, wehrpässe, urkunden
- fazit: ein muß für jeden interessierten!

gruß harbec
« Letzte Änderung: Fr, 02. Juli 2010, 18:28 von Ulla »

 


SimplePortal 2.3.2 © 2008-2010, SimplePortal