Autor Thema: ERSTER BOMBENANGRIFF AUF REGENSBURG; 17.August 1943  (Gelesen 254 mal)

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Offline Hubert

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ERSTER BOMBENANGRIFF AUF REGENSBURG; 17.August 1943
« am: Sa, 17. August 2013, 14:54 »
17.August 1943 in Badehose und Stahlhelm

Jahrestag: Heute vor 70 Jahren griffen B-17-Bomber das Messerschmitt-Werk an. Lisa und Karl Stühler haben es erlebt. Die Bilder werden sie nie vergessen.

REGENSBURG Welch anderes Regensburger Paar kann erzählen wie Lisa und Karl Stühler ?.
  Lisa Stühler aus der Werftstr. wird den Dienstag 17. August 1943, schon allein deswegen nicht vergessen, weil sie acht Tage zuvor mit den 91 getöteten Messerschmitt-Lehrlingen einen Leichtathletik-Wettkampf im, wie sie sagt, "wunderschönen Sportzentrum mit Schwimmbad" bestritten hatte in Diskus, Speer, Weit- und Hochsprung und Laufen. Eine Woche später sah die Rotkreuzhelferin ihre Sportskameraden als Bombenopfer in einer Scheune wieder. Ihr Mann Karl hatte an diesem Sommertag als 17-jähriger Kanonier an der 8,8 Flak auf den Winzerer Höhen den ersten Schuss abgegeben.

"Es war ein Fiasko"

Es war ein Dienstag, ein Tagwie heute, wolkenloser,strahlendblauer Himmel. " heiß war´s wir sind nur mit Stahlhelm und der Badehose an der Kanonen gestanden." Wie an jenem 1. August, als einer der Schulkameraden dieses Foto schoss, oben am Schober bei den Seidenplantage, westlich vom heutigen Hundedressierplatz, wo man damals Menschen dressierte. Am 15. Juli erst waren sie mit dem Zeugnis der 5. Klasse Gymnasium eingerückt in die schwere Heimatflak- Batterie 211/XIII, eine von sechs Batterien in Regensburg. Karl Stühler hat den Kopfhörer auf. Alfred Gottsmann hält  als stärkster von ihnen die schwere 8,8-Granate in den Händen. Daneben stehen Horst Vöhringer und Willi Roeder. Sie hatten jetzt statt Mathe Ballistik auf dem Lehrplan und bekamen Zusatzverpflegung in Form von Milchsuppe mit Nudeln. Aus dieser Zeit hat Stühler noch ein Bandwurm-Wort im Gedächtnis. Es heißt: Schubkurbelkeilverschluss. Vier Wochen später hatten diese angehenden Sechstklässler ihren ersten Einsatz als Kanone.
    Das Himmelsschauspiel sah schön aus, wie eine Art Luftbalett. "Die sind alle aus Westen von Etterzhausen her gekommen. Ich hab`s verglichen mit dem Reichsparteitag. Geschlossene Formation 16-18 Maschinen in fünf Pulks. Zusammen bin ich auf ungefähr 90 Maschinen gekommen." Wohl um ihnen die Angst zu nehmen, hatte der fronterfahrene Obergefreite Hirsch ( Spitzname "blöder Hirsch") zu den Gymnasiasten gesagt, das seien keine feindlichen Flugzeuge, das sind "unsere Ju 88" , das sehe ja ein blinder. " Aber unsere JU 88 hatte zwei Motoren, und die hatten vier".
     Um 12.43 Uhr Ortszeit warf die 96. Bombergruppe die ersten Bomben aus 6000 Meter ab, schreibt Peter Schmoll in seinem vergriffenen
 Buch "Luftangriff". In Höhe der Mariaorter Eisenbahn-Brücke haben sie die Bomben Ausgeklinkt. "Der Weber Heinrich ist sofort durchgedreht, als die Bomben fielen. Wir haben ihn später weinend aus dem Munitionsbunker gezogen, da hatte er sich versteckt."
     Karl Stühler hatte den Kopfhörer auf , aber da war keine "Mucke" drauf, wie heute auf den Kopfhörern der jungen Leute. Karl wartete auf den Feuerbefehl, doch der kam nicht. Die ersten beiden Bomber-Gruppen sind unbehelligt durchgeflogen und haben ihre tödliche Fracht ausgeklinkt. Bei der dritten Gruppe kam der Feuererlaubnis. Schon beim ersten Schuss der "Berta" brach die Auswerferkralle. Die Kanonen auf den Winzerer Höhen waren alles deutsche Beutekanonen, von Rheinmetall-Borsig gefertigt. Vor dem Krieg nach Russland geliefert, waren sie nicht für 8.8 Munition, sondern für 7,62 gebaut. Sie wurden aufgebohrt, waren dann aber zu leicht und sind gesprungen. "Es war ein Fiasko", sagt Karl Stühler.
     Hernach, als alles vorbei war, sind sie an die Kante der Winzerer Höhe und haben runter geschaut auf`s "Werk". Es lag wie auf einem Tablett. "Wir haben nur Rauch gesehen." Es war eigentümlich still. Der 87-jährige Schriftenmaler aus der Schattenhofstraße 1 sitzt jeden Tag in seinem ehemaligen Büro, seiner Schreibstube. Ein paar Farbbänder Hatte er im Vorrat gekauft, er hat noch viel zu tippen, zum Beispiel von der "Hölle von Glogau", die später kam. "Als der Krieg zu Ende war, war ich 19 und schon "Veteran", sagt er. Er kann`s selbst nicht glauben. er durfte noch nicht wählen, aber er durfte schon sterben für Deutschland.

"Auch sie starben für Deutschland".

 So stand es am Freitag, 20. August, in einer 0815-Anzeige des "Regensburger Kuriers", des NSDAP-Organs, das zum Aufmarsch aller Parteigliederungen zum Gedenken des "feigen Angriffs der britischen Terrorbomber" aufrief. Sonst würdigte die Zeitung dem ersten Bombenangriff auf Regensburg in seiner 2000-jährigen Geschichte keine Zeile. Zwölf Zeilen umfasste anderntags der Bericht über einen Bagatellunfall zwischen einem Kartoffel-Lkw und einem Biertransporter in der Landshuter Straße. Dabei konnte es jeder riechen. Verwesung lag in der Luft. Lila und Karl Stühler hatten das Pech der frühen Geburt. Sie stehen für eine traumatisierte Kriegsgeneration, die jetzt langsam Abtritt. Lisa Stühler wollte nach 1945 überhaupt nicht wissen vom Krieg. Erst im letzten Jahr ihrer fast 60-Jährigen Ehe sind die Beiden darauf gekommen, dass sie eigentlich am selben Tag das gleiche erlebt haben.

Lisa Stühler aus der Werftstraße, gerade 14 geworden, besuchte die letzte Klasse der St. Klara Schule in der Ostengasse und hatte einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Das BDM-Mädchen musste sich am "Bann" in der Sedanstr. 9 melden. "An dem Tag haben sie uns sofort rausgeschickt an den Hochweg, da waren nur ein paar Häuser und die Scheune, da wo der Hochweg die Westumgehung kreuzt. Das war die Aufnahme für die Jungen, die sie aus dem Werk rausgeholt haben. Die Verletzten sind in der Scheune versorgt worden. Das war so ein Durcheinander, weil wir ja selber auch aufgeregt waren. Wir mussten schauen, dass vor allem die Sanitäter Material gehabt haben. Das haben wir von den Autos geholt und haben zugereicht. Für uns war das sehr schlimm, weil es da sehr viele Messerschmitt-Lehrlinge erwischt hat, die haben wir alle gekannt. Die waren alle in unserem Alter".

Lisa Stühler hatte zuvor schon eine schlimme Sache zu verarbeiten, als die Amerikaner und Briten vom 25.Juli bis zum 3. August 1943 Hamburg im Schutt und Asche legten, Operation Gomorrah hieß das. "Da haben wir mit der Bahnhofsmission Nachtdienst gemacht und erlebt, dass die Leute wirklich nur mit dem Bademantel oder mit dem Nachthemd gekommen sind und a bissel was unterm Arm. Da hast einiges erlebt als junger Mensch. Da hast oft nicht gewusst, was du mit diesen Leuten machen sollst. Manche sind uns durchgedreht die haben abschieben wollen. Die haben im Waggon Platzangst gekriegt."

Es war der erste Krieg, in der man in der Heimat nicht sicher war und der auch vor Kindern nicht Halt machte. "Damals", so Karl Stühler, "hätten wir einen dieser Psychologen gebraucht, die es heute in Massen gibt."   


Quelle: MZ Regensburg


Grüße Hubert
« Letzte Änderung: Sa, 17. August 2013, 15:24 von Hubert »
MORTUI VIVENTES OBLIGANT "Die Toten verpflichten die Lebenden"

 


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