Kriegsgefangenenlager/GULag- Workuta in Russland

Begonnen von md11, Sa, 11. November 2006, 19:20

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md11

Gleichsam als Synonym für das stalinistische GULag-System gilt bis heute Workuta.
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Das Lagergebiet um die Stadt Workuta-Teil des Lagerverbundssystems Kotlas-Uchta-Petschora-Workuta-lag in der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Komi nördlich des Polarkreises.In der extrem unwirtlichen Region befindet sich das zeitgrößte Kohlevorkommen des europäischen Teils der UdSSR.Die hier geförderte Kohle ist von zentraler Bedeutung für die Versorgung der nördlichen Teile Russlands,insbesondere für Leningrad,das heutige Sankt Petersburg.Dies galt verstärkt für die Zeit des Zweiten Weltkrieges,als die Kohlereviere am Donez-Becken in deutsche Hände gefallen waren und Leningrad belagert wurde.
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Bereits 1931 soll am Fluss Workuta ein erstes Lager existiert haben,das der Kohleförderung diente.Die genaue Anzahl der einzelnen Lager lässt sich nicht mehr feststellen,eine besonders hohe Dichte ist wahrscheinlich.Neben dem Kohlebergbau und der Erdölföderung ist das Lagerverbundssystem am Bau der 1.100 Kilometer langen Eisenbahnlinie Ktlas-Workuta in den Jahren 1938 bis 1941/42 beteiligt gewesen.Die Zahlen der eingesetzten GULag Häftlinge und der Toten sind nicht genau zu benennen.Es ist davon auszugehen,dass Kotlas-Uchta-Petschora-Workuta ein Lagerverbundsystem mit besonders vielen Insassen gewesen ist.Die Angaben schwanken zwischen 15.000 und 450.000 für die 1930er Jahre und zwischen 100.000 und einer Million in den 1940er Jahren.Dies spiegelt die generelle Entwicklung des GULag-Systems wider:In den frühen 1930er Jahren stieg die Gesamtzahl der Insassen in den Lagern rapide an,sodass 1934 schon mehrere Millionen Gefangene einsaßen.
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Innerhalb der Lager gehörten die Zwangsarbeiter-oder wie sie sich selbst titulierten "seki"-im Wesentlichen zwei großen Gruppen an:"Politischen" und den Kriminellen.Die Kriminellen oder "blatnye" nahmen innerhalb der Lagergemeinschaft eine privilegierte Stellung,die nicht nur durch ihre Herkunft und einen hohen Grad an Organisation begründet war,sondern auch dadurch,dass die Lagerleitung sie systematisch förderte,um sie als Gegenpart gegen die "Klassenfeinde" zu instrumentalisieren.Die politischen Gefangenen wurden seit der Einführung des Strafgesetzbuchs der Russischen Sozielistischen Föderativen Republik im Jahr 1926 zunehmend gemäß Paragraf 58 wegen "konterrevolutionärer Tätigkeit" verurteilt.In der Lagerhierarchie nahmen diese "58er" die unterste Stellung ein und waren prinzipiell Haftverschärfungen ausgesetzt.
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Ebenso unsicher wie Angaben über die Anzahl der Häftlinge sind Aussagen zur Sterblichkeitsrate in den Lagern.Fest steht lediglich,dass sie meistens höher als die der normalen Bevölkerung war.Schätzungen über die jährliche Sterblichkeitsrate gehen von bis zu 30 Prozent aus,wobei beim Bau der Eisenbahnlinie Kotlas-Workuta-"unter jeder Bahnschwelle liegt ein Toter",werden die ehemaligen Inhaftierten zitiert-noch höhere Quoten zu verzeichnen waren.Im Zweiten Weltkrieg verschärfte sich die Situation.

md11

Ebenso unsicher wie Angaben über die Anzahl der Häftlinge sind Aussagen zur Sterblichkeitsrate in den Lagern.Fest steht lediglich,dass sie meistens höher als die jährliche Sterblichkeitsrate gehen von bis zu 30 Prozent aus,wobei beim Bau der Eisenbahnlinie Kotla-Workuta-"unter jeder Bahnschwelle liegt ein Toter",werden die ehemaligen Inhaftitierten zitiert- noch höhere Quoten zu verzeichnen waren.Im Zweiten Weltkrieg verschärfte sich die Situation.

Die Herkunft der Häftlinge in Workuta spiegelt die allgemeine Entwicklung des GULag wider.Während der Stalin-Zeit wurden immer wieder in Wellen ganze gesellschaftliche Gruppen in das Lagersystem eingewiesen.Die erste besonders spektakuläre Welle bildeten 1929 bis 1933 die Opfer der Zwangskollektivierung.Es folgten nach 1932 Personen,die sich kleinerer Delikte schuldig gemacht hatten.Im Zuge der Verhaftungswellen 1936 bis 1938 landeten zahllose Menschen aller Gesellschaftsschichten im GULag,darunter auch kommunistische Asylanten aud Deutschland,die vor der Nationalsozialisten nach Moskau gefohen waren.
Als 1938 die Einweisungszahlen nach Ansicht der Sowjetführung nicht mehr den wirtschaftlichen Erfordernissen entsprachen,schickte sie prinzipiell alle Kriminellen in die Lager.Mit dem sowjetisch-finnischen Krieg und dem Hitler-Stalin-Pakt stieg die Zahl in den Jahren 1939 und 1940 wieder an.Dies änderte sich mit dem Überfall des Deutschen Reichs auf die Sowjetunion.Bis zu 1,5 Millionen GULag-Insassen meldeten sich zum Fronteinsatz.Die Deportation von als "unzuverlässig" eingestuften Völkern,wie Russlanddeutschen oder Krimtataren,brachte keine Änderung,da diese zwar der Aufsicht des NKWD unterstanden,aber nicht Bestandteil des Lagersystem waren.Um den Abgängen entgegen wirken zu können,wurden Insassen nach Ablauf ihrer Strafe zur "besonderen Verwendung" im Lager festgehalten.Zeitweise befanden sich Angehörige von über 30 Nationen und Volksgruppen in Workuta.

Mit dem Ende des Krieges benötigte der GULag als einer der Hauptträger des Wiederaufbaus besonders viele Arbeitskräfte.Neben Opfern der massiven Strafverschärfungen in der UdSSR kamen nun in großer Zahl Angehörige der ehemaligen Wlassow-Armee und andere russische Hilfswillige der Wehrmacht ebenso in die Lager wie angebliche Kollaborateure aus den wieder sowjetisch kontrollierten Gebieten,Ostarbeiter oder sowjetische Kriegsgefangene aus deutschen Lagern.Neben den Massenverhaftungen bildete die "zweite Frist" das weitere zentrale Rekrutierungsmittel:die willkürliche Verlängerung der Haftstrafen der Insassen,die ihre Strafe verbüßt hatten.Die Sowjetunion hatte sich verpflichtet,bis Ende der 1940er Jahre alle deutschen Kriegsgefangenen zu entlassen.Sie umging dies,indem sie Zehntausend von ihnen als Kriegsverbrecher vor Gericht stellte und gemäß Artkel 58 zu langjähriger Haft verurteilen ließ.Dies bedeutete den Verlust ihres Kriegsgefangenenstatus und die Einweisung in den GULag.Denselben Militär- und Sondergerichtsverfahren fielen in der SBZ beziehungsweise der DDR regimekritische Deutsche zum Opfer.In den ersten Nachkriegsjahren hatte der GULag die höchste Zahl an Insassen in seiner Geschichte,historische Quellen erwähnen für das Jahr 1953 bis zu 15 Millionen.

md11

Das Ende des GULag-Systems wurde durch zwei Ereignisse eingeleitet:erstens durch den Sturz von Lawrentij Pawlowitsch Berija im Juni 1953,seit 1938 Leiter des NKWD und nach Stalins Tod für kurze Zeit Mitglied der neuen Führungstroika im Kreml,zweitens durch Aufstände in Lagern in den Jahren 1953 und 1954,da die durch den politischen Wechsel erhofften Erleichterungen ausblieben.Ein Zentrum der Streikbewegung war Workuta,wo die Häftlinge forderten,volle Essensrationen zu erhalten,die Häftlingsnummern abzuschaffen,Gitter und Schlösser an den Baracken zu entfernen,Brief- und Besuchsrecht zu bekommen und die Urteile zu überprüfen.Truppen schlugen den Streik blutig nieder,allein im Schacht Nr.29 waren über 60 Tode zu verzeichnen.Dies konnte das Ende des Lagersystems jedoch nicht aufhalten.
Die letzten deutschen Häftlinge kehrten auf Grund der Vereinbarungen von Bundeskanzler Konrad Adenauer mit der sowjetischen Führung Anfang 1956 in ihre Heimat zurück.Im Zuge der alleinigen Machtübernahme durch Nikita Sergejewitsch Chruschtschow wurde der GULag im Mai 1956 auch für Millionen Russen und Angehörige anderer Nationalitäten offiziell abgeschafft.

Gruß
Josef

md11

#3
Bild 1. Im Schnee versunkene Kreuze markieren den kleinen Friehof vor dem ehemaligen Schacht Nr.29

Bild 2.Das Stadtmuseum Workuta erinnert an die Schreckenszeit der Lager.

Bild 3.Hans-Gerd Kirsche fiel dem Blutbad im Lager des Schachts Nr.29 zum Opfer.Seine Akte liegt im Archiv des KGB.Die Akten der Häftlinge tragen den Aufdruck:"Aufbewahren für alle Zeit"

Bild 4. Eine schlichte Säule,die einen mit Stacheldraht umsäumten Stein trägt,erinnert in Workuta an die unzähligen Opfer des stalinistischen Terrors.
Gruß
Josef

md11

#4
Bild 1. Workuta-Lager in der Stalin-Zeit

Bild 2. Gräber von Zwangsarbeitern in Workuta.

Bild 3. Karte (Ausschnitt)

Ulla

In Workuta verstarben auch hohe Offiziere.
Die Namen sind in der Datenbank eingetragen.
Sasse, Karl-Georg
Herzog,Kurt-Oskar
Ginkel v., Oskar Franz
Dutzmann, Max Hermann
Dewitz-Krebs v., Stanislaus Johannes
Oehlmann,Curt Otto

Ulla
Gruß Ulla

"Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird ihm nur ein einziges mal gegeben......" (N.Ostrowski)

md11

Der General Otto Lasch war dort auch in Gefangenschaft gewesen.Ende Oktober 1955 kehrte er wieder zurück nach Deutschland.
Hier könnt ihr weiter lesen:

General Otto Lasch

mfg
Josef

md11

"Endstation Workuta" ein Bericht von W.Kramer:

Bericht

Gruß
Josef

md11

Hier auch eine sehr Interessante Seite:Lagergemeinschaft GULag/Workuta

Lagergemeinschaft Workuta

Gruß
Josef

md11

Workuta - Zur Geschichte eines sowjetischen Straflagers

Eröffnung der Sonderausstellung

Dienstag, 17.05.2011, 19.00 Uhr -27.08.2011

Ort Dokumentations- und Gedenkstätte des BStU in der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt der Stasi
(Zugang über Augustenstraße/Grüner Weg)
Hermannstraße  34b
18055 Rostock

Die "Wiege des Sozialismus", die Sowjetunion, war von einem Netz aus Straflagern überzogen. Eines der größten war Workuta in der lebensfeindlichen Polarregion nördlich des Ural-Gebirges. Hunderttausende Häftlinge, darunter zahllose "Politische", leisteten unter unvorstellbaren Bedingungen Zwangsarbeit. Viele von ihnen starben. Darunter befanden sich in den 40er/50er Jahren auch tausende Deutsche.

mfg
Josef