Geschichte der Seebataillone

Begonnen von UHF51, Do, 26. August 2010, 20:06

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UHF51

Hier eine interessante Datei, welche ich für meine persönliche Forschung erstellt habe.

Beste Grüße
Uwe


UHF51

#1
Hier die sofort lesbare Variante - Teil I

Unsere "Tümmler"
Ein Beitrag von Peter Kunold im Deutschen Soldatenkalender 1962, S. 189-205,
erschienen im Schild-Verlag, München-Lochhausen
Zusammenstellung, Abschrift & Bearbeitung: UHF51 · Berlin
Aus der Truppengeschichte und Uniformkunde der Kaiserlichen Seebataillone
und der Marine-Infanterie-Regimenter

Die junge Bundesmarine besaß seit dem Frühjahr 1959 zwar wieder ein "Seebataillon" (kurz: S.B.), dass aus dem bereits vorher aufgestellten "Marine-Pionier-Bataillon" hervorgegangen ist. Doch ist diese, für eine moderne, amphibische Kampfesweise unerlässliche Einheit eine rein technische Marinetruppe, die keine infanteristischen Kampfaufgaben zu leisten hatte.
Sie hatte daher auch mit unseren braven "Tümmlern" von einst, den Angehörigen der 3 Kaiserlichen Seebataillone und der Marineinfanterie-Regimenter, leider nur den Namen "Seebataillon" gemeinsam.

Die deutsche Marineinfanterie kann auf eine nunmehr über 150 Jahre alte, durch Leistung und Opfer geformte stolze Tradition zurückblicken. Diese Elitetruppe war in den letzten 20 Jahren vor dem ersten Weltkrieg übrigens die "Einsatztruppe" des Kaiserlichen Deutschlands. Die See-bataillone wurden vom Kaiser durch A.K.O. (Allerhöchste Kabinettsordre) als Teile der Kaiserlichen Marine bei Notständen zum Schutze deutschen Lebens und Eigentums im Auslande ("Boxerunruhen" in China 1900) und bei Aufständen der Eingeborenen in den deutschen Kolonien mobilisiert und in Übersee eingesetzt. Zur Mobilisierung der Marine bedurfte der Kaiser nicht der Zustimmung des Bundesrates.

Obwohl die Seebataillone damals durch ihre besonderen Einsätze im deutschen Volke und in Übersee sehr bekannt waren, sind sie heute nur noch wenigen in Erinnerung. Natürlich ist dies erst recht hinsichtlich der Truppengeschichte und Uniformkunde der Fall.
So war z.B. vor Jahren in einer Marine-Zeitschrift von dem "goldenen Gardestern" am Tschako unserer Seebatailloner zu lesen. Tatsächlich ist ein solcher an der Kopfbedeckung unserer Marine-Infanterie nie getragen worden. Lediglich die "Garde-Mariners", eine kleine Sondergruppe der Berliner Garde-Pionier-Abteilung (1816) führten an ihren hohen Tschako mit einem weiß-wollenen Behang einen gelben Gardestern sowie ebensolchen Schuppenketten. Sie trugen brandenburgische Aufschläge (wie die preußische Infanterie), rot mit blauen Patten, aber an den schwarzen Kragen gelbe Gardelitzen.

Bewaffnet waren sie wie die Pioniere mit Faschinenmessern. Der Tschako unserer Seebataillone zur Heimat-uniform von 1914 entsprach dem der Jägerbataillone. Er zeigte als Zierat einen bronzenen Reichsadler mit Kaiserkrone, auf den Pflügen eines Ankers stehend. Die "Nationale" war weiß-schwarz-weiß-rot, von außen nach innen.
Bei den Offizieren war der Zierat - wie auch die Schuppenketten - vergoldet, die "Nationale" silbern-schwarz-silbern-rot. Dazu war der Offizier-tschako wie bei den Jägern im Kopfteil (mit der "Beule") mit schwarzem Tuch überzogen.
Unteroffiziere und Mannschaften trugen an Bord, also bis 1895, flache Schuppenketten aus Messing, seitdem, an Land, schwarz-lederne Kinnriemen.
Unsere in Ostasien und Skutari stehenden Seesoldaten trugen in der heißen Jahreszeit zu einer khakifarbenen Tropenuniform einen Tropenhelm aus Kork, mit Braundrell überzogen, den bronzenen Reichsadler wie am Tschako, jedoch etwas kleiner, darunter die Reichskokarde. Der Hinterschirm war aufklappbar, Kinnriemen aus braunem Baumwollgurtstoff mit Schnallen zum Schieben aus Messing.
Die Offiziere trugen den gleichen Tropenhelm, jedoch mit einer goldenen Schnur um den Kopfteil. Zur weißen Tropen-uniform trugen sie einen weißen Tropenhelm. Gerade die Kopfbedeckung der Marine-Infanterie hat eine mehrfache, interessante Verwandlung erleben müssen:
Das Seebataillon trug zunächst den damals zur Abwehr von Säbelhieben feindlicher Kavallerie sehr hoch konstruierten Helm der preußischen Linien-Artillerie (den Kugelhelm) mit gelbem Beschlag. Am 06. Februar 1862 trat ein blau bezogener Tschako aus Filz mit schwarzem Lederschirm vorn an seine Stelle, der als Beschlag einen bronzenen Anker mit der Inschrift: "Mit Gott für König und Vaterland" zeigte. Im gleichen Jahr erhielten auch die Offiziere den Marineoffiziersäbel, nachdem ein Offizier beim Herabsteigen des Fallreeps der Dampfkorvette "Barbarossa" durch seinen Säbel tödlich verunglückt war. 1875 wird der Beschlag geändert: Auf Anker wird der fliegende Reichsadler mit der Bänderkrone gelegt, auch erhält der Tschako gelbe, flache Schuppenketten.
Erst am 30.12.1882 wurde der uns noch wohlbekannte schwarz lackierte Tschako aus Leder mit Vorder- und Hinterschirm eingeführt. Vorübergehend bestand von 1857 - 1867 eine besondere "Seeartillerie-Abteilung", die dieselbe Uniform trug wie das Seebataillon, jedoch mit schwarzem Kragen und Aufschlag, sowie Mützenstreifen (mit dem "K.M." =  Königl. Marine, wie an der damaligen Matrosenmützen aus gelbem Tuch angefertigt, bis es am 29. Mai 1859 durch das Mützenband bzw. die preußische Kokarde ersetzt wurde).
Auf der ebenfalls weißen Achselklappen befanden sich 2 auf einem klaren Anker gekreuzte Kanonenrohre, während die der Seebataillone über 2 gekreuzten klaren Ankern die Kaiser (Bänder-)Krone, unter diesem die römische Bataillonsnummer I, II oder III zeigte. Damals trugen aber auch unsere Seesoldaten dieses "K.M." statt einer Kokarde. Die Kokarde war verpönt, selbst die Offiziere trugen sie nicht. Der Marinehistoriker Geheimer Admiralitätsrat Paul Koch sagt hierzu, dass auf einer im Archiv des Marineamtes aufbewahrten Uniformzeichnung eines Offiziers ausdrücklich vermerkt sei, dass eine Kokarde zu fehlen habe. Dies lag zweifellos auch an der Ungewissheit, ob schwarz-weiß oder schwarz-rot-gold in Zukunft zu tragen wäre. Die Kokarde wurde erst durch Kabinettsordre vom 02.04.1854 wieder eingeführt. Dass das  Mützenband eigentlich die Kokarde ersetzt, ist später vergessen worden; es wurde zugleich mit den Tressen der Unteroffiziere und den blanken Knöpfen der Mäntel erst unter General v. Caprivi, von 1883 - 1888 Chef der Kaiserlichen Admiralität, wieder eingeführt.

Als Prinz Adalbert 1848 die Führung und Organisation der preußischen Marine übernommen hatte, entstand in Stettin ein "Marinekorps" aus zwei Kompanien, in welches eingegliedert wurden:

1 Stabsoffizier, 1 Adjutant, 2 Assistenzärzte, 1 Unterzahlmeister, 1 Schreiber, 2 Hauptleute,
2 Primierleutnants, 4 Secondeleutnants, 2 Feldwebel, 8 Sergeanten, 10 Unteroffiziere, 40 Gefreite, 10 Spielleute und 260 Mariniers (Marinesoldaten).
In dem Marinekorps fanden auch die Reste jener  bereits erwähnte "Garde-Mariniers" von 1816 Aufnahme, von denen seit dem 30. September 1823 "ein Unteroffizier und zwei Gemeine" auf das in Danzig erbaute, bei der Pfaueninsel (zwischen Potsdam und Wannsee) stationierte Flusskanonenboot "Thorn" kommandiert waren. Die Uniform der "Garde-Mariniers" trugen auch laut Kabinettsordre vom 24. August 1832 in Potsdam die Bedienungsmannschaften der königlichen Lustfahrzeuge, die durch Schenkung der Miniatur-Fregatte "Royal Louise" durch den König von England eine Bereicherung gefunden hatten, in Stärke von 2 Unteroffizieren und 10 Mann. Diese Uniform bestand noch im Jahr 1848, als einige "Garde-Mariniers", bis dahin immer noch dem Garde-Pionier-Bataillon unterstellt, die in (Berlin-)Moabit erbauten eisernen Kanonenjollen nach Stettin überführten, wo sie wohl dann in das dortige "Marinekorps" übernommen worden sein dürften.

Fortsetzung folgt,
beste Grüße
Uwe

EDIT: Hab den Text etwas formatiert. Ulla

UHF51

#2
Teil II

Durch kriegsministerielle Ordre vom 23. Dezember 1849 wurde das "Marinekorps" geteilt in ein "Matrosenkorps" (Matrosenstammdivisionen aus freiwilligen Berufsseeleuten) und ein "Marinirkorps" (damalige amtliche Schreibung) aus dienstpflichtigen Soldaten. Letzteres war die Stammtruppe der späteren Marineinfanterie. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen erließ am 13. Mai 1852 an den Kriegsminister eine Allerhöchste Kabinettsordre, mit der die Bezeichnung "Seebataillon" erstmals eingeführt wurde. Diese A.K.O. lautet:
"Ich habe beschlossen, dem bisherigen Marinekorps fortan die Benennung "See-Bataillon, den Marinern aber die Benennung "Seesoldaten" beizulegen, und gebe ihnen behufs der Ausführung dieser meiner Ordre die nöthige Bekanntmachung anheim."

Diesen Tag kann man also wohl als den Geburtstag unserer "Tümmler" ansehen, obwohl - wie wir sehen werden - die Anfänge der Marineinfanterie bis weit vor die Zeit des Großen Kurfürsten hinein reichen. Die "Seesoldaten" waren hauptsächlich als Landungstruppe vorgesehen; sie wurde besonders im Bootsdienst und Kutterpullen, also im Rudern, ausgebildet. Man hatte damals noch "Ruderkanonenboote". Die Bestimmung der Seebataillone blieb bis zum ersten Weltkrieg die gleiche, wie die Flottenmanöver mit anschließenden Landungsmanöver - zum Schluss mit einem "zünftigen" Parademarsch vor dem Kaiser - beweisen.

Auf drei Kompanien verstärkt, war das Seebataillon zunächst in Swinemünde stationiert. 1859 erhöhte sich seine Stärke auf vier, 1869 auf fünf, 1871 auf sechs Kompanien. Im Jahre 1865 wurde es nach Kiel verlegt und 1889 das "II. Seebataillon" in Wilhelmshaven errichtet. Gleichzeitig wurden sie einer "Inspektion der Marineinfanterie" unterstellt. Am 06. März 1883 erließ Kaiser Wilhelm I. eine Kabinettsordre, wonach dem Seebataillon eine Fahne verliehen werden sollte. Ihre Nagelung erfolgte am 19. März im kaiserlichen Schloss Unter den Linden und am 01. April 1883 wurde sie in Kiel dem Seebataillon feierlich übergeben. Für die friedliche Übernahme der Insel Helgoland am 10. August 1890 - sie war durch Vertrag vom 01. Juli 1890 gegen koloniale Ansprüche auf Sansibar und im Wituland in Ostafrika von England eingetauscht worden - waren auf den Panzerschiffen "Baden", "Württemberg" und "Bayern" 3 Offiziere, 201 Unteroffiziere und Seesoldaten sowie das II. Seebataillon in Wilhelmshaven mit seiner erst am 29. Juli 1889 verliehenen Fahne eingeschifft worden und paradierten unter dem donnernden Salut der Schiffs-geschütze, als an Stelle der britischen die deutsche Kriegsflagge feierlich am Mast des Gouverne-mentsgebäudes emporstieg, vor Kaiser Wilhelm II.

Als der Große Kreuzer "Kaiser" zur Verstärkung des Ostasiatischen Geschwaders infolge der Wirren des chinesisch-japanischen Krieges am 26. April 1895 in See ging, hatte er noch ein Detachement von Marine-Infanterie in Stärke von 1 Offizier und 78 Unteroffiziere und Seesoldaten des II. Seebataillons an Bord. Sie trugen damals Rucksäcke statt Tornister. Als danach keine Seesoldaten mehr an Bord kommandiert wurden, erhielten sie eine besondere Ausbildung im Kolonialdienst, so für Kriegsmärsche im dichten Busch, Angriff auf "Bomas" (afrikanische Befestigungen), Überwinden von Hindernissen, Palisaden usw., sowie Lagerbauten. Um die Mitte der 90er Jahre fiel die Ausbildung am schweren Geschütz weg. Die Mannschaften wurden nur noch als Hilfsnummern bei Ausfällen vorgesehen, doch blieb die Ausbildung im Rudern und Schwimmen weiter bestehen. Lediglich ein Offizier des Seebataillons blieb noch auf den Schulschiffen als Fecht- und Turnlehrer für die Seekadetten, ebenfalls ein solcher zur Ausbildung der Schiffsjungen auf dem in Flensburg-Mürwik liegenden Kasernenschiff, ehemals Panzerschiff "König Wilhelm". Inspektionsoffiziere für die Marineschule wurden nicht mehr gestellt. Alljährlich fand ein Übungsritt der Offiziere, ebenso einer zu den Herbstübungen des IX. Armeekorps statt. Alle zwei Jahre stellte das Seebataillon einen Offizier zum "Boxerkurs", also zur Turnanstalt, und einen zum Sommerpionierkurs zu den 9. Pionieren nach Harburg.

Bereits 1894 erfolgte der erste Einsatz einer aus beiden Bataillonen zusammengestellten Kompanie Seesoldaten unter Hauptmann v. Kamptz in Übersee, als in Kamerun Dahomey-Soldaten der damaligen Polizeitruppe gemeutert hatten. Nach der Besetzung von Kiautschou am 14. Nov. 1897 wurde infolge A.K.O. vom 13. Juni 1898 das III. Seebataillon gebildet, Standort Tsingtau, dem nach und nach eine berittene (5.) Kompanie, die so genannten "Kauliang-Husaren", eine Marine-Feldbatterie, eine Marine-Pionier-Kompanie und eine MG-Kompanie (2 MG-Züge) angegliedert wurden. Es erhielt am 06. Oktober 1898 eine Fahne. Das 1912 errichtete "Ostasiatische Marine-Detachement" war mit 2 Kompanien, sowie 1 berittenen und 1 MG-Zug in Tientsin stationiert.
Zu diesem gehörten in Peking noch 3 Kompanien, 1 Zug Feldkanonen, 1 Zug schwere Feldhaubitzen, 1 MG-Zug und 10 Reiter. Die Schutzwache der Gesandtschaft war nach dem "Boxeraufstand" erheblich verstärkt worden.

Zuerst in Wilhelmshaven, dann in Cuxhaven stand das III. "Stamm-Seebataillon" mit 2 Stamm-Kompanien und 1 Stamm-Batterie. Schließlich wurde noch aus Abgaben des I. und II. Seebataillons am 28. August 1913 das "Marine-Infanterie-Detachement" Skutari unter Hauptmann Schneider gebildet, das vom 07. Juli 1913 - 04. August 1914 als deutsches Kontingent zur internationalen Besatzung der Stadt Skutari in Albanien gehörte und schon am 24. August 1914 seine Feuertaufe erhielt, als es Seite an Seite mit österreichischen Truppen die serbischen Stellungen bei Visegrad in Bosnien erstürmte. Es wurde nach seiner Rückkehr in die Heimat aufgelöst und auf die Seebataillone IX und X verteilt, die dann mit dem seit Ende August 1914 im Felde stehenden VII. Seebataillon, hervorgegangen aus dem III. Stamm-Seebataillon in Cuxhaven, das "Marine-Infanterie-Regiment 3" bildeten. Das Skutari-Detachement, der "Mittelmeerdivision" unterstellt, führte damals eine Bootsflagge von S.M.S. "Breslau".

Fortsetzung folgt,
beste Grüße
Uwe

UHF51

Teil III

Es sollte aber nicht vergessen werden, dass bereits der Große Kurfürst am 01. Oktober 1684 eine "Marine-Kompanie" in Stärke von 1 Kapitän, 1 Leutnant, 1 Fähnrich und 110 seetüchtigen Leuten aus brandenburgischen Truppenteilen, Standort Emden, errichtete, der er am 28. Juli 1685 eine zweite und dritte Marine-Kompanie folgen ließ. Diese Truppe erhielt auch eine Fahne, die den Kur-Hut führte. Obwohl nach dem Tod des Großen Kurfürsten die Marine zerfiel, ist doch noch im Jahre 1701 eine vierte Marine-Kompanie aufgestellt worden, wobei der Kur-Hut in der Fahne durch die Königskrone ersetzt wurde. 1744 ist dieser Truppenteil von Friedrich dem Großen, zusammen mit einer Kompanie übernommener ostfriesischer Soldaten, in das Garnisonbataillon Nr. 12 umgewandelt worden, das im Jahre 1757 vollständig aufgelöst wurde. In der Gedenkstätte unter dem Turm des Marine-Ehrenmals in Laboe findet sich sogar die Darstellung eines "Mariners" vom "Kurfürstl. Brandenburgischen Marinier-Regiment von Bolsey" aus der Zeit von 1675 - 1679: langschößiger Rock, hellblau mit gelben Knöpfen, weiß vorgestoßen, ebenso hellblaue Kniehose sowie hellere Strümpfe und senfbraune Schuhe; als Kopfbedeckung ein schwarzer Hut, Art Zweimaster, mit brandenburgischer (weiß-roter) Rosette an linker oberer Seite. Dazu Mantel mit Überwurf, ebenso hellblau; hellbraunes Lederzeug: Bandelier (Säbel), Brotbeutel, Leibriemen mit gelbem Schnallenschloß; über der Schulter eine Muskete. Sogar die Fahne dieser "ersten Marine-Infanterie" ist dort dargestellt: Vorderseite weiß, in den vier Ecken größere, an den Seiten mittig kleinere grüne Zweige mit roten Beeren, immer ein einfacher Kranz mit ebensolchen grün-roten (kleineren) Beeren, darin unter dem Kur-Hut das Zepter, diagonal von einem Schwert gekreuzt; umrahmt - innerhalb des Kranzes - von der Inschrift: "TOUT VIEN TAPOINOT QUI PREUT ATTENDRE". Die Rückseite: schwarz mit gleichem Mittelteil, Inschrift über dem Kur-Hut aber nur: "PRO PATRIA"; schräge grün-rote Beerenzweige in den vier Ecken!

In jenen zur See unruhigen Zeiten erteilte der Große Kurfürst schon dem Grafen Dönhoff, "gegeben zu Potsdam, den 13. Juli 1680", den Befehl, dass er "auf zwei Schiffe, welche Seine Kurfürstl. Durchlaucht schicken, zwanzigk guthe, gesunde Musquetiere, nebst zwei Unteroffizieren, von denen in Preußen stehenden Regimentern zu Fuß zu geben und selbige gehörig zu mundieren habe", um die mit Guinea an der Westküste Afrikas Handel treibenden brandenburgischen Schiffe militärisch besser schützen zu können. Noch im selben Sommer ging ein Geschwader von 6 Schiffen unter Führung des tüchtigen Kapitäns Cornelius Claus von Bevern nach dem Englischen Kanal in See, um hier auf spanische Schiffe zu kreuzen, weil Spanien trotz aller diplomatischen Verhandlungen noch immer eine Summe von 2 Millionen Talern der brandenburgischen Staatskasse schuldete. Als man endlich vor Ostende am 18. September 1680 das mit Brabanter Spitzen und Leinewand voll gefüllte spanische Schiff "Carolus Secundus" (Carl II.) geruhsam vor Anker liegen sah, wurde es sofort vom Flaggschiff, Fregatte "Friedrich Wilhelm", angegriffen und unter Führung des "Erasmus Müller, Fähnrich in der Dönhoff'schen Leibkompagnie", geentert. Diese gute Prise brachte Claus von Bevern mit zwei Schiffen nach Pillau, während die anderen Schiffe des Geschwaders den erhaltenen Instruktionen gemäß in den Atlantik hielten, ja selbst 4 Wochen in den westindischen Gewässern kreuzten.

Danach hatte der Große Kurfürst unter Befehl des Kapitäns Thomas Alders auch noch ein (drittes) Geschwader in Dienst gestellt, in welches auch "Carl II.", jetzt "Markgraf von Brandenburg", eingegliedert worden war -  nunmehr als Flaggschiff mit 50 Kanonen bestückt. Dieses Geschwader hatte bereits eine Seesoldaten-Besatzung von zusammen 182 Mann eingeschifft. Die Instruktion hierzu lautete für den Geschwader-Chef Alders: "Die Soldaten aber soll er Schiffsarbeit lehren und mit der Zeit zu Matrosen bequem machen, weil Wir geneigt seien, selbige allezeit zur Marine zu gebrauchen!" Nachdem am 12. Juli 1682 die beiden Fregatten "Churprinz" und "Mohrian" von Pillau ausgelaufen waren, hatten sie sich der damals noch dänischen Festung Glückstadt an der Elbe den Kammerjunker Major Otto Friedrich von der Groeben sowie 2 Ingenieure, 1 Fähnrich  Selbling, 3 Unteroffiziere und 42 Soldaten an Bord genommen. An der Küste von Guinea, am Kap der drei Spitzen auf dem Berg Mamfer (Mamfro), wurde dann am 01. Januar 1683 nach Verhandlungen mit 2  Negerhäuptlingen (zwei Capiciers), über der ersten brandenburgischen Kolonie "Großfriedrichs-burg" ("weil Seiner Kurfürstlichen Durchlaucht Name in aller Welt groß ist") die große kurfürstlich brandenburgische Flagge vom Schiffe mit Pauken und Schalmeyen aufgeholet, mit allen in Gewehr stehenden Soldaten empfangen und an einem hohen Flaggenstock aufgezogen." Erinnert sei hier noch an das traurige Schicksal dieser ersten brandenburgischen Kolonie und seiner Soldaten: Nach dem Tode des Großen Kurfürsten zerfiel sie allmählich, ebenso die Schiffe "vergammelten" an den Pfählen im Hafen von Emden. Aus Kurbrandenburgs rotem Adler war am 18. Januar 1701 der schwarze  preußische entstanden - aber der Besitz, die Soldaten im fernen Afrika gerieten mehr und mehr in Vergessenheit. Als dann doch noch einmal Ergänzungsmannschaften hinausgehen sollten - 7 Mann hatten draußen die lange Dienstzeit durchgehalten -, als endlich nach 3 weiteren Jahren (!) 2 Offiziere und 22 brandenburgische Soldaten im Jahr 1708 nach Afrika geschickt wurden, da mussten eigens für deren Transport 2 Schiffe aus Holland geheuert werden!

Der "Soldatenkönig" Friedrich Wilhelm I. hat schließlich diese Kolonie am 17. Januar 1718 für 6.000 Dukaten an die Holländer verkauft. Aber noch 7 Jahre nach diesem Verkauf hat der Eingeborenenhäuptling Jean Cunny in geradezu rührender Treue zu Ehren des nunmehr preußischen schwarzen Adlers, der längst den Flug über See vergessen hatte, in heldenhaftem Starrsinn auf sein Recht pochend - er hatte dem letzten Gouverneur, du Bois, die preußische Flagge zu hüten versprochen, und ahnte nichts von dem Verkauf - tapfer mit seinen Stammesgenossen gekämpft, 7 lange Jahre hindurch, bis er eines Morgens - die Holländer hatten ihm zuletzt den Tod seines Kommandanten in Berlin gemeldet - mit der preußischen Flagge unter dem Arm, mit seinen Getreuen in den dunklen Wäldern seiner Heimat spurlos verschwunden war! Erst 1725 konnten die Holländer die ehemalige brandenburgische Kolonie in Besitz nehmen. Nicht Preußens schwarzer Adler, sondern eines einheimischen Stammeshäuptling preußische Treue hat den Zeitpunkt des Zusammenbruchs aufgehalten. - Andächtig stand man früher in der Ruhmeshalle des Berliner Zeughauses vor dem vom Rost zweier Jahrhunderte stark angegriffene Geschütz, das im Januar 1884 die Glattdeckskorvette "Sophie" unter dem Korvettenkapitän  Stubenrauch bei einem Besuch von Groß-Friedrichsburg in den Ruinen unter Gestrüpp und Lianen (Schlingpflanzen) gefunden hatte.
So hatten also die Seebataillone auch eine weit zurückreichende Tradition zu wahren. Sie haben sich ihrer immer würdig gezeigt! Nach Ausbruch des "Boxeraufstandes" in China wurde die gesamte Marine-Infanterie, also I. und II. Seebataillon, mobilisiert und trat als "Marine-Expeditionskorps" unter Generalmajor v. Hoepfner am 03. Juli 1900 die Ausreise aus Wilhelmshaven an.

Fortsetzung folgt,
beste Grüße
Uwe