Friedland

Begonnen von zirkulon, Mi, 22. August 2007, 17:44

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zirkulon

Titel: Friedland    Chronik der großen Heimkehr
Herausgeber: Josef Reding
Verlag: Herder - Bücherei
Erscheinungsdatum: 1959
Seitenzahl: 175
ISBN: nicht vorhanden
Sonstiges: geschrieben im Winter 1955/56 in der Baracke des Lagers Friedland.

Josef Reding, Jahrgang 1929, geboren und aufgewachsen im Ruhrgebiet. Gegen Kriegsende als 15jähriger in einer Panzervernichtungs-Brigade. Nach dem Abitur Studium von Psychologie und Germanistik an den Universitäten Münster (Westfalen) und Champaign /Illionois, USA). Reisen nach Mexiko, Kanada, Island und Grönland. Für sein Werk "Friedland" und die gesellschaftskritischen Erzählbände "nennt mich nicht nigger" und "wer betet für judas?" erhielt Josef Reding den Preis für junge Literatur des Landes Nordrhein-Westfalen.

Gruß
Michael
Bei allen von mir erstellten Beiträgen berufe ich mich auf :
Artikel 5, GG der BRD.
Artikel 11, Charta der Grundrechte der EU.
Artikel 19, Menschenrechtscharta der UN.

Was Du nicht willst dass man Dir tu,
das füg´ auch keinem Andern zu

zirkulon

Hier ein kleiner Auszug aus dem Buch:

Zitat"Die Nackten bekleiden! "
Wie schwer war die Erfüllung dieses Wortes in den ersten Jahren des Lagers. Jetzt wächst das Werk und die Möglichkeit zur Hilfe. Auch 1948 hatte der Lagerpfarrer eine Caritas-Bekleidungskammer; aber das war der Raum unter seinem Feldbett, wohin manchmal für eine Nacht ein abgetragener Mantel oder ein paar Jacken kamen, die dann gleich am nächsten Morgen ausgegeben wurden.

Nun aber werden die ersten Nissenhütten abgerissen und Baracken errichtet, die den Friedländern, dem Lagerpersonal wie Paläste vorkommen. Eine Bekleidungsbaracke entsteht. Schwester Hedwig braucht nicht mehr nur zu sagen: " Ich habe einen Mantel für sie! ", sondern sie kann fragen:" Passt Ihnen dieser Mantel? Sonst probieren Sie doch bitte einen anderen an! "

Der Lagerpfarrer von Friedland zerhämmert die Stahltüren vor den Herzen der Menschen, jenen Menschen, die beginnen, Kühlschränke und Fernsehtruhen in ihre Zimmer zu stellen, und 20 Pfennig geben, wenn die Helfer der Caritas sammeln. Kardinal Frings hält eine flammende Rede und prägt das Wort:" Friedland ist die Zentrale deutscher Not! "

Man kann die Menschen an den Fingern der Hände aufzählen, die sich mit ihrer ganzen Person für Friedland einsetzen. Aber die Wenigen schaffen mehr als ein ganzes Heer von Mittelmäßigen. Das " Huisvestingkommittee " in Holland spendet der Caritas in Friedland zwei Baracken, später gesellt sich Schweden mit der Gabe eines Holzhauses hinzu.

Alle Organisationen, die mit Friedland verbunden sind, schaffen unter stärkerem Maße, als sie es bisher konnten.

Oberschwester Charlotte vom Roten Kreuz, die mit Schwester Hedwig im Dreck eines Schweinestalles angefangen hat, steht weinend bei der Eröffnung des "Rückkehrerheimes ", der Rote-Kreuz-Baracke. Die innere Mission im Lager errichtet eine Glocke auf einem Backsteinfundament. Diese "Gocke von Friedland "begrüßt von nun an jeden einlaufenden Transport und zeigt die Freude über die heimfindenden Brüder und Schwestern. Doch es ist und bleibt die kleine Spende des Einzelnen, die dieses Wirken ermöglicht. Es ist und bleibt das Kleidungsstück, die Mahlzeit, die dem Heimkehrenden und Flüchtling unvergessen bleiben. Auch hier soll das Wort durch die Zahl ersetzt werden.

Allein in der Zeit vom 30. 11. 1949 bis 30. 4. 1950 wurden in der Caritas Friedland abgegeben:
1638 Paar Schule, 4048 Paar Socken, 1234 Unterhosen, 1384 Unterhemden, 1715 Oberhemden, 1949 Hosen, 1402 Jacken, 435 Mäntel, 485 Westen, 994 Handtücher, 1042 Krawatten und Taschentücher.
Während der gleichen vier Monate wurde an Frauen ausgegeben:
955 Paar Schuhe, 326 Paar Strümpfe, 1557 Schlüpfer, 1804 Hemden, 987 Blusen, 861 Röcke, 2526 Kleider und Schürzen, 184 Pullover, 589 Unterröcke, 316 Stück Nachtwäsche.

Und Kinder bekamen:
508 Paar Schuhe, 452 Paar Strümpfe, 191 Schlüpfer, 177 Unterhemden, 240 Oberhemden, 588 Pullover, 290 Jacken, 260 Mäntel, 604 Hosen, 525 Westen.

Auch hier wieder: Niemand hat das Recht, über diese Zahlen hinwegzulesen. Was hier gegeben wird, ist nichts staatlich Organisiertes. Die Belegschaft einer Schokoladenfabrik im Rheinland arbeitete vor Weihnachten einen Tag, eine Stunde lang für das Lager Friedland, und die Produktion dieser Stunde an Pralinen und Schokolade wurde vom Besitzer der Firma kostenlos zur Verfügung gestellt. Frau Lörkes in Stuttgart-Vaihingen schickt den Anzug ihres gefallenen Sohnes.

Wissen Sie, der sie dies lesen, wie schwer sich Frau Lörkes von diesem Anzug getrennt hat? - Wissen Sie, das dies das einzige Kleidungsstück war, dass noch an den bei Tobruk Gebliebenen erinnerte? Dass die Mutter den Anzug einige hundertmal gestreichelt hat, wie damals, als der Sohn noch mit diesem " besten Stück " zur Christel Pühlwerg in der Rothenbergstraße ging? Dass Mutter Lörkes den Anzug viermal wieder zurück gehängt hat in den Schrank?  - und ihn endlich doch einpackte und nach Friedland schickte, weil vor dem Toten die Lebenden kommen?
Wissen Sie es?
Jedes Stück Kleidung, jede Gabe, die in Friedland ankommt, ist ein Stück vom menschlichen Herzen.
Auch ein unscheinbares Stück Seife kann es sein.

Gruß
Michael
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ZitatZivilcourage bei Operation Link


"Vater es geht nicht mehr!"
"Muttel, ich kann nich weg hier! Es ist doch unser Haus. Alles im Stich lassen?"
"Karl, nu sei vernünftig. Sollen sie die denn noch einmal eine Bierflasche über den Kopf schlagen, bloß weil du "Guten Morgen" gesagt hast?"
"Vielleicht hört das mal auf Maria."
"Aufhören? Ganz Liegnitz kocht schon seit Jahren! Gestern du, morgen ich! Die Polen schlagen uns tot, wenn ich draußen aus Versehen noch ein deutsches Wort sage. Und selbst in der Kirche von den Kanzeln dieser Haß! Ich habe so etwas in einem Gotteshaus nie für möglich gehalten. Das Deutsche gehört zum letzten Dreck. Ich kann das nicht mehr aushalten, Karl!"
"Aber alles hier lassen.......?"
"Was lassen wir denn wirklich hier? In dem baufälligen Haus können wir verhungern! Fritz hat eine schöne Wohnung in Köln, und auch bei Schramowskis könnten wir unterkommen. Die haben vor drei Jahren fortgemacht, und jetzt haben sie schon ein Milchgeschäft eingerichtet."
"Ich weiß, ich weiß nicht!"
"Aber Karl, willst du der letzte Deutsche in Liegnitz sein? Sollst du vor dem Kogut, dem wir früher eine Suppe hinausgestellt haben, auf den Knien liegen, bloß weil er jetzt Bürgermeister ist? Und soll ich mit ansehen müssen, wie sie hier unsre deutschen Ordensschwestern behandeln? Und die deutschen Mädchen? Die Polen heiraten sie, jawohl. Aber noch im Bett lassen sie es unsre Gören spüren, daß wir von der Gnade des Siegers leben. Hast wohl vergessen, was Berta uns hier vorgeheult hat vor ein paar Tagen?"
"Ja."
"Stellen wir nun den Antrag?"
"Ja!"
"Im Ernst?"
"Ja, Maria!"
"Dank die, Karl!" sagt die Frau. "Dank die, Alterchen. Ich hätte es hier nicht mehr ausgehalten. Danke."

Gruß
Michael
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#3
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ZitatStichwort "Operation Link"
Wie Karl und Maria Tesching sitzen viele Deutsche in den polnisch besetzten Gebieten um den Tisch, auf dem nicht mehr viel steht, Auch diejenigen, die aus der Zwangslage heraus für POlen optiert haben, erkennen nun ihre Situation als unhaltbar.
Die duetschen Männer und Frauen wollen wieder ihre Sprache sprechen dürfen, ihre Kinder in deutsche Schulen schicken können und ganz einfach unter Deutschen leben. Alles das können sie in den bestzten Gebietennicht mehr.
Doch es ist nun nicht mehr alles so einfach wie beim Zusammenbruch. Damals zog man los auf den großen Treck nach Westen. Einfach weg, nur fort! Heute aber braucht man als Deutscher einen Packen Genehmigungen, wennman etwas tun will. Vor allem aber braucht man diesen Papierwust, wenn man nach Westdeutschland will.
Die Deutschen wollen hinaus aus unserem Land? fragen sich die Polen. Warum nicht! Laßt sie gehen und vor allem die Kinder und Frauen und die Alten. Dann wird das Land endlich von den Deutschen gesäubert.
Zwischen polnischen, englischen und deutschen Stellen wurde eine Vereinbarung getroffen. Vorerst sollten 25.000 deutsche Männer, Frauen und Kinder aus dem Raum östlich der Oder-Neiße-Linie in die britische Zone geleitet werden. Die Regierungen kabelten. Das Internationale Rote Kreuz in Genf half. Persönlichkeiten der katholischen Kirche in Berlin fanden Wege, die Rückführung über Widerstände hinweg mölich zu machen.
"Operation Link!" sagten die Minister.
"Operation Link!2 sagten die deutschen Aussiedler und legten ihre Sehnsucht nach einem neuen, besseren Zuhause in das Wort. Denn dort, wo sie waren, galten sie als Vertrieben, Verbannte im eigenen Heim.
Aber es gibt eine Zonengrenze. Es gibt die Grenze, die das Land zerreißt.
Am 3. März soll unter dem Stichwort "Operation Link" die "Durchschleusung" (furchtbare Worte erfindet man für die Unwürdigkeiten, denen der Mensch in jenen Tagen ausgeliefert ist!) in den Westen beginnen.
So sieht ein Bericht über jenen 3. März 1950 aus:

"Aus irgendwelchen Gründen hatte die Sowjetzonenregierung wohl Befürchtungen, der Übernahme der Transporte am britisch-russischen Schlagbaum könnten Schwierigkeiten entgegentreten. So kam der Lagerleiter des Lagers Heiligenstadt (Sowjetzone) zum Lagerleiter des Lagers Friedland, um die technische Seite der Angelegenheit zu besprechen. Außerdem erschien der Caritasdirektor von der Hauptvertretung Berlin im Lager Friedland, um im Auftrage des Innenministeriums der Sowjetzonenregierung, Abt. Bevölkerungspolitik, über eine reibungslose Durchführung der Operation Link zu beraten. Ein anderer Weg schien zur Regelung dieser Fragen nicht möglich, da zwischen der Sowjetzonenregierung und der Bundesrepublik keine offizielle Verbindung besteht.
Der Autopark des Lagers Friedland sollte mit Genehmigung der russischen Kommandantur von Heiligenstadt über die Zonengrenze zum Bahnhof Arenshausen fahren dürfen, um dort die Aussiedler und ihr Gepäck zu übernehmen und nach Friedland zu fahren. Am 3. März, morgens um 8 Uhr, standen 686 Aussiedler mit ihrem Gepäck auf dem Bahnhof Arenshausen, drei KIlometer auf östlicher Seite der Zonengrenze. Am Schlagbaum standen die Wagen des Lagers Friedland. Dazu ungewohnt viele Menschen: der Flüchtlingminister Albertz von Niedersachsen, der Vertreter des Bundesvertriebenenministers, der Regierungspräsident von Hildesheim, Regierungsbeamte, die Lagerleitungen, die Vertreter der Hilfsverbände im Lager Friedland und etwa 70 Pressefotografen."


wird fortgesetzt.......

Gruß
Michael
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zirkulon

Rest:

ZitatDieser Teil des Berichtes ist die Einleitung zu einer düsteren Szene.

Aufgeregt fuchteln die englischen Offiziere mit den Listen umher:
" Hier, diese Namen stimmen nicht überein. Die Menschen, die drüben warten, stehen nicht auf den Listen der Operation Link!"
In Eile überprüfen Lagerleiter Krause, Lagerpfarrer Dr. Krahe und der Minister von Niedersachsen die Liste. Tatsächlich, nur etwa ein Fünftel der in Arenshausen Wartenden gehört zur Operation Link!
"Also, nichts wird übernommen, you understand? "
" Aber es sind doch ausgewiesene Deutsche, die einen wie die anderen! Man kann diese Menschen jetzt nicht einfach zurückschicken! Begreifen Sie das doch bitte! "
" Da gibt es nichts zu begreifen. Ich habe meine Befehle! Und die lauten: die auf dieser Namensliste stehenden deutschen Aussiedler zu übernehmen und nun kommen noch viermal soviel Namen hinzu, die niemand kennt! "
" Aber...! "
" No! "
Die "höheren Dienststellen " werden zitiert und auch angerufen. Um 11:00 Uhr erteilt der englische Abschnittskommandeur von Goslar mit:" Ich habe mit meiner Dienststelle in Lübbecke gesprochen und auch mit dem britischen High Commissioner selbst. Der Hohe Kommissar gibt um 12:30 Uhr seine Entscheidung durch. Diese ist dann endgültig! You hear, this is final! "
Auf die Minute genau kommt der Bescheid vom Petersberg: " Der Transport wird nicht übernommen! "
Irgendwo sagt jemand:" Sauerei! "
Man will Deutsche daran hindern, nach Deutschland zu kommen. Der Petersberg, sitz der Alliierten Hohen Kommission, hat das letzte Wort.
Hat er es wirklich?
Was jetzt geschieht, ist nicht abgesprochen und nicht vorbereitet. Es kommt einfach aus dem Impuls der deutschen Männer, die vor Erregung zittern vor dieser Ungeheuerlichkeit, dass die Brüder nicht über eine Grenze dürfen, die die Willkür einiger Männer auf der Krim errichtet hat.
Lagerleiter Richard Krause springt auf den Kotflügel des ersten Lastkraftwagens.
" Los! "
Minister Albertz reißt eigenhändig den Schlagbaum hoch. Atemlose Spannung! Der Lastwagen mit dem Lagerleiter von Friedland rast unter dem Schlagbaum durch, ein zweiter, ein dritter, ein vierter, jetzt drei Omnibusse! Durch!
Erst hinter dem dritten Bus gelingt es dem Grenzkontrolloffizier, den weiß-roten Schlagbaum senken zu lassen. Proteste! Schimpfen! Minutenlanges Wortgefecht. Telefonate.
Da kommen schon die ersten Busse zurück. Sie laden die Aussiedler am Schlagbaum ab, wenden, und holen im Pendelverkehr die Anderen.
Verwirrt stehen die Umsiedler am Schlagbaum. Was geschieht nun mit uns? Lässt man uns hinüber? Karl Tesching streichelt seiner Frau über den Arm.
" Wird schon werden, Mutter! "
Jenseits des Schlagbaum schreit der Offizier:
" Ich protestierte gegen Ihr eigenmächtiges Vorgehen, Herr Minister! "
" Das dürfen Sie, aber die Aussiedler müssen herüber! Auf meine Verantwortung! "
" Dann müssen wir aber zum mindesten das Gepäck kontrollieren! "
" Schämen Sie sich nicht, diesen Menschen das armselige Gepäck durchschnüffeln zu wollen! Für uns ist das Land jenseits der Oder-Neiße Deutschland, und das Gepäck, dass die Polen den deutschen Ausgewiesenen bei der Reise innerhalb Deutschlands belassen haben, unantastbar!"
" Aber ich habe strikte Dienstanweisung...! "
" Mutter, was ist los? Warum streiten die sich über uns? Mein Gott, was haben wir denn getan? Sind wir Verbrecher? "
" Ruhig Karl, ruhig! "
"Aber das ist entsetzlich! Dieses Geschrei um uns! Du, die wollen uns gar nicht drüben haben, die wollen uns...! "
" Karl! "
Maria Tesching will ihren zusammensinkenden Mann stützen, kann ihn aber nicht halten und fällt mit ihm zusammen zur Erde.
" Karl! "
Die Frau schreit es so laut heraus, dass selbst das Stimmengewirr am Schlagbaum verstummt.
" Karl! Komm zu dir, bitte! Mach doch nur einmal die Augen auf. Ich hole sofort Wasser, sofort, Karl! Bitte...! " Maria Tesching ruft und stammelt.
Der Mann Karl Tesching, 59 Jahre alt, ist tot.
Die deutsch-deutsche Grenze hat ihn getötet. Todesursache: Herzmuskelschwäche so steht es wenig später auf dem Untersuchungsbefund des Arztes.
Aber der Lagerpfarrer, der Minister und der Arzt wissen nur zu gut, wer hier der Mörder war: eine Linie, eine feine Linie, die durch Deutschland geht.
Da öffnet sich der Schlagbaum für Stunden, damit Deutsche aus Deutschland nach Deutschland kommen können. Man sollte dieses Beispiel im Geschichtsunterricht bringen, wenn man die Situation Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg verdeutlichen will. Werden die Kinder lachen?
Die Aussiedler kommen über die Grenze. Ihr Gepäck - ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und für die ganze Familie ein Schrank zugestanden - wird unkontrolliert nachgefahren. Bei vielen gibt es nichts nachzufahren. Sie haben ihren Hausrat bereits in den vergangenen fünf Jahren verkaufen müssen, um ihr Leben zu fristen. Frauen, die durch Gefängnisse und Lager gegangen waren - ein ganzes Lager von Frauen und Kindern bei Lissa war aufgelöst worden - tragen ihr ganzes Hab und Gut in der Markttasche bei sich.
Schwester Hedwig und Dr. Krahe stützen Frau Tesching und bringen Sie über die Grenze.
Da prescht der Residenzoffizier von Göttingen heran und ruft:"! Die Übernahme ist nicht gestattet! "
Niemand schaut auf. Niemand bleibt stehen. Niemand achtet auf den gestikulierenden Fremden .
Um 16:30 Uhr sind alle Aussiedler im Lager Friedland.
Auch Karl Tesching, den Schwester Hedwig in das Leichenhaus bringt.
In der nüchternen Sprache des Transportführer-Protokolls spiegelt sich dieser Auftakt der Operation Link so: " Die Zusammenstellung des Transportes begann am 20.2.1950 und erfolgte im Durchgangslager Breslau-Hunsfeld.
Die Stärke des Transportes betrug 664 Personen, wovon zwei Personen als Kranke zurückblieben.
Beim Grenzübergang in Forst (Lausitz) waren ein Toter, in Heiligenstadt zwei Kranke und beim Grenzübergang Besenhausen ein Toter zu beklagen. Weitere 13 Personen waren für die russische Besatzungszone bestimmt, so dass die Zahl des Transportes 645 betrug. 44 Personen wurden dem Transport aus dem Lager Bitterfeld in der russischen Besatzungszone angegliedert, die aus Resten der in der russischen Besatzungszone eingetroffenen Transporte stammen.
Der Abreisetag aus Breslau-Hunsfeld war der 27.2. 1950. Verpflegung war ausreichend und verhältnismäßig gut.
Für die Eingliederung in den Transport waren ausschlaggebend: 1. Die englische Ausreisegenehmigung (Permit) aus Warschau oder zweitens die Zuzugsgenehmigung, die bei der Umsiedlungstelle Lodz gegen einen Repatriierungsschein umgetauscht wurde.
Bei der Mitnahme von Gepäck und Möbeln wurden keine Einschränkungen gemacht. Polnische Währung wurde den Flüchtlingen in Forst (Lausitz) gegen Ostgeld eingetauscht. Es sind einige Fälle bekannt geworden, in denen Flüchtlingen ihre Sparkassenbücher abgenommen worden sind.
Im Allgemeinen ist die Erlangung eines Permits sehr schwierig, da diese durch die zuständigen Landratsämter ausgehändigt werden und in Fällen, in denen die polnische Verwaltung Wert auf die Arbeitskraft, besonders der Facharbeiter legt, ohne entsprechendes Bestechungsgeld nicht erhältlich. Ganz anders liegt der Fall, wenn sich Flüchtlinge zum Ausreisen melden, die Vermögen oder Grundbesitz nachweisen. Diese Personen werden innerhalb weniger Tage in das Durchgangslager eingewiesen.

Friedland/L.., dem 6.3.1950

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