Mit Paraden und einem großen Ball unter freiem Himmel feiert Paris heute den 60. Jahrestag seiner Befreiung von deutscher Besatzung.
PARIS - Ein rauschender Ball wird das werden, mit Kostümen von damals, mit Original-Jeeps, Panzern und alten Citroens. Jerome Savary, der große alte Mann des französischen Revue-Theaters, hat das Spektakel am Platz der Bastille inszeniert. Mireille Mathieu wird die berühmte Titelmelodie aus dem frühen Belmondo-Film „Brennt Paris?" singen. Fast 1000 Freiwillige haben die Sommerferien mit Proben verbracht, haben die Tanzschritte für den Swing, den LindyHop einstudiert.
Am 25. August 1944 hatte die deutsche Garnison in Paris kapituliert, ohne verbrannte Erde zu hinterlassen. Der Seine-Stadt war das Schicksal Warschaus, das nach dem Aufstand in Flammen aufgegangen war, erspart geblieben. Ein wenig kam das einem Wunder gleich.
Denn Hitler hatte auch Paris, das er 1940 noch inkognito, wie ein x-beliebiger Tourist, besucht hatte, brennen sehen wollen. „Paris darf nicht oder nur als Trümmerfeld in die Hand des Feindes fallen", lautete der klare Befehl zwei Tage vor der Kapitulation. Und General Dietrich von Choltitz schien der geeignete Mann für diese Mission zu sein.
Sprengungen vorbereitet
In der Tat schien das Schicksal von Paris besiegelt zu sein, als von Choltitz die Verminung der Brücken, der Wasser-, Gas- und Telefonzentralen und die Sprengung wichtiger Gebäude und selbst des Eiffelturms vorbereiten ließ. Als dann auch noch in der Stadt der Aufstand unter Führung der Kommunisten ausbrach, an allen Ecken Barrikaden gebaut und geschossen wurde, mochte kaum noch jemand auf ein gutes Ende für die Stadt setzen. Doch von Choltitz wollte Zerstörungen vermeiden und verhinderte den Einsatz der Luftwaffe gegen Ziele im Stadtgebiet.
Tiefen Eindruck, das erzählte von Choltitz später, machte zudem der Pariser Bürgermeister Pierre Taittinger, der dem Deutschen die Schönheiten von Paris vor Augen führte. „Stellen Sie sich vor", sagte Taittinger, „eines Tages kommen Sie hierhin zurück, und Sie können sagen: Ich, der General von Choltitz, hätte all dies in einem Tag zerstören können. Doch ich habe es bewahrt, als Gabe an die Menschheit."` Allerdings wird der Offizier auch ziemlich nachdrücklich davor gewarnt, ein derart schweres Kriegsverbrechen zu begehen.
Wichtigster Partner des Generals in diesen wirren Tagen, als die Alliierten, die de Gaulle erfolgreich bedrängt hatte, endlich auf Paris vorrücken, wird der schwedische Generalkonsul Raoul Nordling. Er vermittelt einen Waffenstillstand mit den gemäßigten Kräften der Resistance. Und von Choltitz darf am Ende seine Soldatenehre wahren, als ihm zugestanden wird, sich der regulären Armee-Einheit des französischen Generals Leclerc ergeben zu dürfen.
In Frankreich wird von Choltitz, der 1947 aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wird und 1966 in Baden-Baden stirbt, noch heute als „Retter von Paris" geachtet. In Berlin indes wurde seinerzeit gegen den General ein „Feigheitsverfahren in Abwesenheit" eingeleitet.
Befehl nicht weitergegeben
Paris war nach Kapitulation und Übergabe aber noch nicht gerettet. In Berlin tobte Hitler, befahl, die Stadt unverzüglich mit V1- und V2-Raketen zu bombardieren. Man stelle sich vor, nur eine dieser „Wunderwaffen" wäre damals auf den Champs Elysees eingeschlagen, wo am 25. August eine Million Menschen General de Gaulle als Befreier Frankreichs feierten.
Doch Generalleutnant Hans Speidel, der die Order aus Berlin entgegennahm, gab den Befehl schlicht nicht weiter. „Ich hatte die schwerste Entscheidung meines Lebens zu fällen", beschrieb Speidel später seinen Zwiespalt zwischen Befehlstreue und Liebe zu einer Stadt.
14 Jahre zuvor hatte Speidel an der Sorbonne studiert, Bilder von den Tuilerien, von Notre-Dame und Versailles schmückten seinen Bunker. Wenn man so will, hat der herzbezwingende Charme von Paris die Stadt damals einmal mehr gerettet.
Quelle-Nürnberger Zeitung 25.08.2004
Gruß
Josef
