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Informationsecke 2.Weltkrieg 1939 - 1945 => Stalingrad => Infos über Stalingrad => Thema gestartet von: Ulla in Mi, 01. August 2007, 21:43

Titel: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: Ulla in Mi, 01. August 2007, 21:43
Das Führerhauptquartier ordnete an, Feldpostbriefe aus Stalingrad einzuziehen um einen Einblick in der Stimmung der Truppe dort zu erhalten.
Als die letzte Maschine (Januar 1943) aus dem Kessel landete wurden 7 Postsäcke beschlagnahmt und die Briefe geöffnet. Es wurden die Adressen und Absender entfernt,sortiert nach Inhalt und gebündelt dem Oberkommando der Wehrmacht übergeben. Danach wurde eine Statistik verfasst nach "Stimmung". Beeindruckend ist das etwa 2,1% positiv zur Kriegsführung standen und etwa 57 % als ungläubig, ablehnend  die Lage einschätzten.
Es war geplant, die Unterlagen in einem großen Dokumentenwerk zusammenzufassen um über die Schlacht an der Wolga zu berichten. Jedoch war der Inhalt der Briefe so niederschmetternd das der Propagandaminister entschied: "Untragbar für das deutsche Volk".
Die authentischen Abschriften gelangten in das Heeresarchiv Potsdam und wurden dort wenige Tage vor der Einnahme Berlins sichergestellt.


Anmerkung:
Ich hab einige Briefe davon gelesen, sie sind grauenvoll.
Es sind Briefe, voller Hoffnung, voller Liebe und die Sehnsucht nach Hause.
Es sind Briefe, die wie Abschiedsbriefe klingen weil man ahnt was kommen wird.
Es sind Briefe, wo Menschen sich trennen weil man mit der Situation des Krieges nicht klar kommt.
Es sind Briefe, voller Verzweiflung.
Was mich so berührt an der Sache, ist die Tatsache das viele in der Heimat auf diese Post vergeblich gewartet haben. Es wird für viele der letzte Brief gewesen sein.

Ulla


Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: six.darkness in Mi, 01. August 2007, 22:05
hallo Ulla,

ist es möglich diese briefe zu lesen,hast du kopien davon?

dank und gruss

Roman

p.s was neues von der Trabbifront?-g-
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: Ulla in Mi, 01. August 2007, 22:27
Die Briefe müßte ich alle abschreiben.

Hast PN.

Gruß Ulla
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: zirkulon in Do, 02. August 2007, 00:29
Hallo Ulla,
gibt es eine Möglichkeit an diese Post heran zu kommen.
Hätte gerne weitere dieser Briefe hier im Forum veröffentlicht.

Gruß
Michael
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in So, 05. August 2007, 12:12
Die Feldpost in Stalingrad

Im Sommer und Herbst 1942 wurde mit dem Vorstoß der deutschen Armee in den Südosten der Sowjetunion die Versorgung mit Nachschub immer schwieriger. Auch die Laufzeiten der Feldpost wurden länger. So wurde der Versand von Päckchen von der Heimat zur Front vorübergehend gesperrt und dann über Zulassungsmarken  gesteuert.  Seit April 1942 hatte zusätzlich zu den herkömmlichen Transportmitteln Bahn und Kraftwagen auch der regelmäßige Luftfeldpostdienst seine Arbeit aufgenommen - nur so konnte die Masse der gewöhnlichen Brief- und Nachrichtensendungen über die weiten Entfernungen zugestellt  werden.

Seit der Einschließung der 6. Armee am 22. November 1942 war eine Versorgung auf dem Landweg nicht mehr möglich; die gesamte Versorgung von 300.000 Menschen hing nun vom Lufttransport ab. Schon in den ersten Dezembertagen wurde aber klar, daß die notwendigen täglichen Mengen von mindestens 500 Tonnen Gütern aller Art nie eingeflogen werden konnten. Auch wenn der Nachschub in die Nähe von Stalingrad gelangte, so fehlten doch die Flugzeuge, um solche Mengen weiterzutransportieren. Der einzige für Tag- und Nachtflug ausgebaute Flugplatz Pitomnik war seit 24. November bereits Ziel von sowjetischen Angriffen, und so konnten z. B. an einem Tag wie dem 29. November nur 42 statt der anvisierten 400 Tonnen eingeflogen werden.

Dabei verschärfte sich die Lage für die Soldaten noch einmal dadurch, daß die Priorität dem Nachschub an Munition und Betriebsstoff galt, erst dann kam die Verpflegung. Briefpost konnte nur unregelmäßig als Beiladung in Transportflugzeugen eingeflogen werden . Nach der Einschließung der 6. Armee wurde erst am2. Dezember »Feldpost in geringen Mengen zugeflogen« und ab 6. Dezember auch wieder Feldpost aus Stalingrad ausgeflogen. Die Paketbeförderung dagegen wurde vom ersten Tag der Einschließung an sofort eingestellt. Von einer regelmäßigen Verbindung in die Heimat konnte keine Rede mehr sein.

FoIgt man dem Rechenschaftsbericht des Heeresfeldpostmeisters Ziegler , so wurden im Dezember 1942 noch ca. 73 Tonnen Post ein- und ca. 15 Tonnen ausgeflogen. Für den Januar 1943 sanken die transportierten Mengen auf ca. 16 bzw. 7 Tonnen für Ein- und Ausflug. Insgesamt schätzte Ziegler damit das Postaufkommen während der Belagerung auf immerhin 6,7 Millionen Einzelsendungen von der Heimat an die Front und auf 2,9 Millionen Sendungen von der Front in die Heimat.

Die Zahl der nicht zustellbaren Feldpostpakete und Weihnachtspäckchen ätzte Ziegler auf 2 Millionen. Sie wurden bei der Feldpostleitstelle 547 des Armeepostmeisters 6 in Awdejewka und in Berditschew im Freien gestapelt  und »nach dem Ausgang der Belagerung« dann andernorts in Lazaretten verteilt, »um den Verderb des Inhalts nach Möglichkeit zu verhindern.  Nach Verlust des Flughafens Pitomnik am 16. Januar 1943 konnte Post fast nur noch von Flugzeugen abgeworfen werden und gelangte allenfalls in ganz geringen Mengen aus dem Kessel nach außen.



,,...die unanbringlichen Päckchen"
Der Schwerpunkt des militärischen Geschehens lag im Jahre 1943 weiterhin im Osten. Mit dem Heldenkampf der 6. Armee begann das harte Jahr. Bereits im Dezember 1942 war es unmöglich geworden, der in Stalingrad eingeschlossenen Armee Feldpost auf dem Landweg zuzuführen. Während die Nachrichtenpost in den Kessel eingeflogen werden konnte, mußte die Päckchenpost - darunter der größte Teil der Weihnachtssendungen - gestapelt werden, da der Transportraum der Flugzeuge ihre Beförderung nicht zuließ. Bis zum 27Januar konnten die Kämpfer in Stalingrad auf dem Luftweg mit Nachrichtenpost versorgt werden. Am 3. Februar 1943 fiel die Festung. Große Mengen im Frontbereich gestapelter Feldpostpäckchen und die noch eingehenden, bereits auf dem Transport befindlichen Briefsendungen für die in Stalingrad verbliebenen Angehörigen der 6. Armee wurden damit unanbringlich. Für Teile von Einheiten, Urlauber und Kommandierte, die dem harten Schicksal entgangen waren, wurden aus diesen Postmengen die für sie bestimmten Sendungen herausgesucht. Die danach noch vorhandene Briefpost wurde den Absendern zurückgesandt. Für die Päckchen war dies wegen Überlastung der Transportmittel durch die Absetzbewegungen und die damit verbundene Abbeförderung kriegswichtigen Räumungsgutes leider nicht möglich. Befehlsgemäß wurden die unanbringlichen Päckchen an die nächstgelegenen Lazarette und schließlich auch an die kämpfende Truppe zur Verwertung abgegeben.

Quelle- Stalingrad (W.Wette und Gerd R.Ueberschär) und Die Deutsche Post 68 (1944)

Gruß
Josef
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: Ulla in So, 05. August 2007, 12:55
Wie schon bemerkt sind die Briefe alle ohne Adresse und Absender.
Mich würde trotzdem interessieren ob diese konfiszierten Briefe noch vorhanden sind.

Wir sind ganz allein

...Hannes hat mich heute morgen auf dem Gefechtsstanddazu überredet, doch an Dich zu schreiben. Ich habe mich seit einer Woche um diesen Brief herumgedrückt und immer gedacht, dass die Ungewissheit zwar qualvoll sei, aber immer noch einen Hoffnungsschimmer enthalte. So dachte ich auch über den Ausgangmeines eigenen Schicksals nach und nahm täglich die Ungewissheit unserer Lage, die zwischen Hilfe und Untergang schwebte, mit in den Schlaf. Und ich bemühte mich auch nicht, das Zweifelhafte endgültig zu klären. Vielleicht aus Feigheit. Ich hätte dreimal unter der Erde liegen können, aber das wäre dann immer unvorbereitet gewesen, urplötzlich und überraschend. Jetzt ist es anders geworden, seit heute morgen weiss ich Bescheid und weil mir so ein freier ist, sollst Du auch von der bangen Ungewissheit befreit sein.
Ich war entsetzt, als ich die Karte gesehen habe. Wir sind ganz allein, ohne Hilfe von aussen. Hitler hat uns sitzen gelassen. Dieser Brief geht noch ab, wenn der Flugplatz noch  in unserem Besitz ist. Wir liegen im Norden der Stadt. Die Männer meiner Batterie ahnen es auch, aber sie wissen es nicht so genau wie ich. So also sieht das Ende aus. In Gefangenschaft gehen Hannes und ich nicht, ich habe gestern vier Mann gesehen, die von den Russen gefangengenommen waren, nachden unsere Infanterie wieder den Stützpunkt genommen hatt. Nein, in Gefangenschaft gehen wir nicht. Wenn Stalingrad gefallen ist, wirst Du es hören und lesen und Du weisst dann, dass ich nicht wiederkehre.



Aus "Stalingrad-Wie es wirklich war"  v. Dr.Chr.Zentner
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: Ulla in So, 05. August 2007, 13:07
Nur Gott war nicht da

..In Stalingrad die Frage nach Gott stellen, heisst sie verneinen. Ich muss Dir sagen, lieber Vater, und es ist mir doppelt leid darum. Du hast mich erzogen, weil mir die Mutter fehlte, und mir Gott immer vor die Augen und die Seele gestellt.
Und doppelt bedaure ich meine Worte, weil es meine letzten sein werden, und ich hiernach keine Worte mehr sprechen kann, die ausgleichen könnten und versöhnen.
Du bist Seelsorger, Vater, und man sagt in seinem letzten Brief nur das was wahr ist oder von dem man glaubt, dass es wahr sein könnte. Ich habe Gott gesucht in jedem Trichter, in jedem zerstörten Haus, an jeder Ecke, bei jedem Kameraden, wenn ich in meinem Loch lag, und am Himmel. Gott zeigte sich nicht, wenn mein Herz nach ihm schrie. Die Häuser waren zerstört, die Kameraden so tapfer oder so feige wie ich, auf der Erde war Hunger und Mord, vom Himmel kamen Bomben und Feuer, nur Gott war nicht da. Nein, Vater, es gibt keinen Gott. Wieder schreibe ich es, und weiss, dass es entsetzlich ist, und von mir nicht wieder gutzumachen. Und wenn es doch einen Gott geben sollte, dann gibt es ihn nur bei Euch, in den Gesangbüchern und Gebeten, den frommen Sprüchen der Priester und Pastöre, den Läuten der Glocken und dem Duft des Weihrauches, aber in Stalingrad nicht.



Aus "Stalingrad-Wie es wirklich war"  v. Dr.Chr.Zentner
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: Ulla in So, 05. August 2007, 13:15
Ich habe keinen Hass

...Nachdem ich nun weiss,woran ich bin, gebe ich Dir dein Wort zurück. Es ist mir nicht leicht geworden, aber die Gegensätze waren zu gross. Ich suchte eine Frau mit weitem Herzen, aber so weit sollte es nicht sein. Ich habe an Mutter schon geschrieben und ihr auch gesagt, was sie wissen soll. Ersprae es mir bitte, Dir die Zeugen zu benennen und die Umstände, die mir die Beweise für Deienen Treuebruch brachten. Ich habe keinen Hass gegen Dich, sondern gebe Dir den Rat, suche Dir einen guten Grund aus und beschleunige alles sehr. ich habe an Dr. F.... geschrieben, dass ich mit der Scheidung einverstanden bin. Und wenn ich nach sechs Monaten nach Hause komme, dann möchte ich durch nichts mehr an Dich erinnert werden.
Auf meinen Urlaub im Februar oder März werde ich verzichten.


Aus "Stalingrad-Wie es wirklich war"  v. Dr.Chr.Zentner
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in So, 05. August 2007, 13:23
Hallo Ulla,
ich hab hier auch ein Buch mit Feldpostbriefe.Bei den Feldpostbriefen steht auch die quelle dazu:
Bibliothek für Zeitgeschichte,Stuttgart.Sammlung Sterz

Landeshauptarchiv Koblenz,Bestand 700,153 Nr.80

Bundesarchiv-Militärarchiv, Freiburg


Gruß
Josef
Titel: Re: Feldpostbriefe
Beitrag von: md11 in So, 05. August 2007, 17:29
H., Obergefreiter, an seinen Vater Feldpostbrief aus Stalingrad vom 13. Januar 1943

Lieber Vater, Lotte wird es Dir schon erzählt haben, daß wir bei Stalingrad eingeschlossen sind und nur durch Flugzeuge versorgt werden können. Bis jetzt ging es ganz gut, es gab zwar nicht all zu viel zu essen, aber man hätte es aushalten können. Aber, lieber Vater, seit Sonntag ist die Sache sehr ernst geworden. Der Russe hat den Ring noch enger eingedrückt, aber jetzt können wir nicht mehr weg, wo wollen wir noch hin, entweder in russische Gefangenschaft oder in den Tod. Wir wollen zwar beides nicht hoffen, aber es ist sehr ernst, und jetzt hat jeder den Befehl bekommen, noch einmal nach Hause zu schreiben, muß aber bis 17 Uhr abgegeben sein. Lieber Vater, da ich schon als Sicherung eingeteilt worden bin, als Verteidigung, denn es wird damit gerechnet, daß der Russe heute abend kommt, so bitte ich Dich, lieber Vater, wenn es das Schicksal schlecht mit mir will, meiner lieben Frau viele Grüße und viele Küsse zu übermitteln, und sie soll sich nicht grämen über mich, sie soll noch recht lange gesund bleiben, und Euch liebe Eltern viele Grüße und vielen Dank für Eure Mühe, die Ihr an mir hattet, aber wir wollen hoffen, das es Gott im letzten Moment doch noch gut meint mit mir. Darum bitte ich Dich, lieber Vater, halte den Brief geheim für Dich, und wenn Du neue Post von mir bekommst, daß alles gut abgegangen ist, bitte ich Dich, den Brief zu vernichten, aber wenn es das Schicksal will, dass ich die Heimat, Euch liebe Eltern und meine heißgeliebte Frau, die ich treu liebte bis zum letzten Tag, nicht wiedersehen sollte, so sag' bitte meiner Frau die letzten Grüße.




H., Soldat, an seine Eltern Feldpostbrief aus Stalingrad vom 15. Januar 1943

Ob wir das aber solange aushalten bei der Verpflegung ist eine Frage für sich. Die Kälte und der Hunger zermürbt den besten Soldaten. Genau wie im vorigen Jahr häufen sich die Fälle von Fuß- uind Fingererfrierungen. Der Russe macht schwer Propaganda mit Flugblättern und fordert uns jeden Tag aufs nette auf uns zu ergeben, da unsere Lage aussichtslos sei. Aber so ganz ohne Hoffnung sind wir ja doch nicht, obwohl wir einsehen das wir ...  Wir haben überhaupt kein Fleisch zu essen. Jetzt haben wir noch zwei Pferde und dann ist endgültig Schluß damit. Wir haben uns schon selbst Lunge gekocht nur um etwas im Magen zu haben. Ich esse nur noch einmal am Tag und zwar Mittags. Wenn ich mein Wassersüppchen gelöffelt habe, wird gleich das Stückchen Brot mit Wurst oder Butter hinterher gegessen, dann warte ich wieder sehnsüchtig auf den nächsten Mittag. Ich möchte blos wissen, was wir verbrochen haben, das wir dieses ganze Elend so grausam durchkosten müssen. Ihr werdet jetzt sicher schon geschlachtet haben, und wenn ich mir vorstelle davon jetzt etwas essen zu können, könnte ich verrückt werden. Ich male mir so oft in Gedanken ein gutes Essen vor, aber dann bekommt man bloß noch mehr Kohldampf. Liebe Eltern ich könnte Euch ja alles verschweigen und schreiben es geht mir gut, aber Ihr sollt immer wissen wie es tatsächlich ist.

Quelle- BA-MA Freiburg

Gruß
Josef
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in Di, 07. August 2007, 17:40
K. A., Pionier, an seine Schwester Feldpostbrief aus Stalingrad vom 15. Dezember 1942

Die herzlichsten Weihnachts- und Neujahrsgrüße sendet Dir Karl. Wie geht es Dir noch - hoffentlich so gut wie mir. Was macht Papa? Ich habe schon fast fünf Wochen keine Post von Dir bekommen. Hier sieht es trostlos aus. Seit 4 Wochen essen wir nur noch Pferdefleisch. Vorgestern haben wir eine Katze geschlachtet. Ich kann Dir sagen, was ich nie für möglich gehalten hätte, sie hat wunderbar geschmeckt. Wenn es geht, schicke sofort Nähzeug, ein Taschenmesser, es ist egal was für eins, und dann Suppenwürfel, Puddingpulver und Süßstoff. Hoffentlich sind wir nächstes Jahr zusammen.





K. N., Soldat Feldpostbrief aus Stalingrad vom 30. Dezember 1942

Bei uns ist es jetzt sehr kalt, wie etwa voriges Jahr. Nur, daß wir dieses Jahr an Weihnachten froh sein mußten, daß wir genug Brot zu essen hatten. Wir bekommen jetzt jeden Tag 1/4 oder 1/5 von einem Brot. An Weihnachten bekamen wir zu unserem Viertel von der Kompanie 1/2 kleines rundes Brot, was die bei anderen Kompanien gar nicht bekamen, und die doppelte Portion Wurst, 75 Zigaretten, die auch vollends der Teufel holen könnte, 100g Schokolade und eine Fruchtschnitte. Wir bekommen sehr selten Post, und dann nur Briefe, Päckchen schon seit Mitte November (keine), so daß ich keine Weihnachtspäckchen und keine warmen Sachen, überhaupt nichts bekommen habe. Wir sind von den Russen eingeschlossen, so daß alles mit Flugzeugen herangeschafft werden muß. Wir essen zur Zeit meistens nur Pferdefleisch, Büchsenwurst und eine dünne Suppe. Wäre gerne wieder in Tugujew, wo ich vorigen Winter war. So schlecht wie jetzt ging es mir noch nie in meinem Leben, dass (ich) froh sein muß, wenn ich Roßfleisch habe. Ich möchte Euch ein frohes Neujahr wünschen, wäre jetzt bestimmt zu Hause, wenn wir nicht eingekesselt wären. Ich schließe mit der Hoffnung, daß wir bald frei werden, denn jetzt fährt keiner in Urlaub.

Quelle- Landeshauptarchiv Koblenz und Bibliothek für Zeitgeschichte Stuttgart

Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in Do, 04. Oktober 2007, 21:59
b. Stalingrad, den 14.1.1943

Liebe Hildegard!

Nun sind wieder einige Wochen vergangen, wo ich keine Zeile aus der Heimat erhalten habe. Die letzte Post, die ich bekam, das war im November. Es ist eben nicht sehr angenehm, wenn man von der Außenwelt abgeschnitten ist. Heute ist es nun schon der 54te Tag! Wer weiß, wie lange es noch dauern wird. Na, wir sind ja allerhand gewöhnt und werden auch dieses kleine Manöver gut überstehen. Es müßte nur etwas mehr zu essen geben, das bißchen Mittag ohne Kartoffeln, mit wenig Pferdefleisch und die 200 Gramm Brot, 30 Gramm Butter täglich sind für einen ausgewachsenen Menschen ein bißchen wenig. Aber trotzdem wollen wir nicht murren, denn es wird ja wieder eine andere Zeit kommen, wo wir das hoffentlich wieder nachholen können.

Leider habe ich seit November keine Post mehr erhalten. Die Transportmaschinen der Lufthansa werden für Munitions-Zwecke gebraucht, dadurch muß alles andere zurückstehen. Zur Zeit ist bei uns allerhand gefällig. Der böse Feind möchte uns doch so gerne einkassieren, aber wir sind damit noch nicht einverstanden. Was uns dann blühen würde, kann nur der sagen, der diese Helden hier kennt. Halten die Fronten, wie es immer bei uns der Fall war. Schwere Kämpfe haben wir hinter uns, aber noch schwerere stehen uns bevor! Aber eins wissen wir schon heute, der Rabatz nimmt auch mal wieder ein Ende. Sitze jetzt in meinem Vermittlungsbunker und schreibe diese Zeilen. Ab und zu muß ich unterbrechen um Gespräche zu vermitteln, aber das soll mich nicht weiter stören. Meine Kameraden schlafen alle! Haben wieder mal einen schweren Tag hinter sich. Bin zwar totmüde, aber das hilft eben nichts! Meine liebe Unbekannte muß doch auch mal wieder ein paar Zeilen bekommen. Man muß sich zwar jede Minute abgaunern, aber das macht ja nichts. Wie geht es Dir sonst? Von mir kann ich nichts Neues berichten, den Verhältnissen nach geht es mir noch gut. Hoffe und wünsche, von Dir das gleiche zu hören? Wie hast Du denn das Weihnachtsfest verlebt? War der Weihnachtsmann denn man auch fleißig? Würde mich sehr freuen, wenn Du mir etwas über Deine täglichen Sorgen schreiben würdest. Ich möchte doch gerne auch daran teilnehmen. Wie hat es denn Sylvester geklappt? Bist Du gut ins Neue Jahr reingekommen? Für mich wäre es ja die größte Freude gewesen, wenn ich zu dieser Zeit zu Hause sein dürfte. Leider habe ich nie solch ein Glück. Hatte mich schon riesig gefreut, Weihnachten in Berlin zu sein, aber genau wie voriges Jahr, schwere Abwehrkämpfe. Wird wohl April oder Mai werden, dann darf man wieder mal an die Heimat denken. Wir hoffen ja alle, wenn das hier überstanden ist, daß wir endlich nach zweijährigem Einsatz aus der vordersten Linie mal rauskommen. Der größte Teil von uns war über zwei Jahre nicht in Urlaub. Wir haben hier nun den Kampf kennengelernt. Also drück mal den Daumen, daß wir auch der Heimat wieder mal einen Besuch abstatten dürfen. Bis zum nächsten Mal verbleibt mit herzlichen Grüßen Dein unbekannter Frontsoldat:

Ernst G.

Quelle-Stalingrad-eine deutsche Legende (J.Ebert)

Gruß
Josef
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in Fr, 05. Oktober 2007, 21:07
zwischen Wolga und Don 13.1.1943

Liebe Eltern u. Edmund!
Da ich nicht weiß, ob Ihr meine letzten Karten alle erhalten habt, will ich heute mal durch Luftfeldpost schreiben, und hoffe, daß Ihr noch wohlbehalten alle seid! Die Lage ist eben so, daß ich, genau wie damals im Oktober, als ich zur Kompanie kam, auch keine Post erhalten habe wie jetzt, bloß sind die Umstände heute anders, damals griffen wir an in dem großen Ringen um die Stadt, und heute versuchen die Russen die eingeschlossene Festung in ihre Hand zu bringen. Aber trotz Hunger, Not und Kälte wird ihnen das nicht gelingen, denn die Verteidiger der Stadt, wir alle wissen, was uns blühen würde, wenn wir in russische Gefangenschaft gerieten. Man hat schon so viel von ihrer Grausamkeit erlebt, erst dieser Tage wurde ein Gefreiter, der von einem russischen Spähtrupp gefangengenommen wurde, bei einem Gegenstoß, wobei die meisten Russen vernichtet wurden, gefesselt und mit Genickschuss aufgefunden! Jeder Tag, den wir ja länger aushalten, bringt uns ja auch der Freiheit näher, und wenn der Januar erst vorbei ist, wird auch für uns wieder das Rollen beginnen. Aber die 20 Grad und mehr Kälte, welche jetzt hier herrschen, hemmen ja alle Operationen! Was unsere Infanterie und alle vorn eingesetzten Teile bei dieser Witterung, dem Schneesturm und mangelhafter Verpflegung heute leisten, ist glaube ich durch nichts in der Welt zu übertreffen. In schwerstem russischen Feuer und Fliegerangriffen, verlaust und verdreckt, wochenlang nicht gewaschen, das kann nur der ermessen, wie ich, der selbst bei der Infanterie gewesen ist! Aber trotz allem gibt niemand die Hoffnung auf, denn in diesem Kriege müssen wir ja die Sieger sein, weil sonst ja alle Not und Entbehrung, die Opfer der vielen Kameraden umsonst gewesen wären!

Von mir kann ich schreiben, daß ich gesund bin und wie immer den festen Glauben habe, auch mal wieder nach Hause zu kommen und hoffentlich recht bald! Zum Schluß noch herzliche Grüße
auch an alle Verwandten und Fam. K.

Euer G.

Gruß
Josef
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in So, 14. Oktober 2007, 19:18
Rußland, den 19.1.43   
Lieber Onkel Willi!

Helmut ist tot! Gestern habe ich es von einem Kameraden erfahren, der mit ihm zusammen im Schützenloch gelegen hat. Das ist das Leben hier in Rußland! Eine feindliche Kugel, Brustschuß und ein junges hoffnungsvolles Leben ist ausgelöscht. Man hat nicht einmal Gelegenheit gehabt, ihn aus dem feindlichen Feuer herauszuholen, und wenig später waren die Russen in den Stellungen.

Ich erzähle Dir das alles im Vertrauen, lieber Onkel; Du darfst seinen Eltern noch keine Mitteilung davon machen. Wie mag seine Mutter die Nachricht nur aufnehmen?! Er hat bestimmt eine gute Mutter, der Helmut. Er selbst war ja auch so ein lieber Kerl, so offen und ehrlich und kameradschaftlich und fromm; und er verlor niemals den Mut; schon auf der Fahrt hierher sprach er oft von einem glücklichen Wiedersehen mit seinen Eltern in der Heimat.

Ob diese Zeilen überkommen, weiß ich nicht genau. Denn wir sitzen hier ja im Kessel, wie ich Dir schon geschrieben habe. Neuerdings geht hier die Parole um, daß unsere Gruppen von außen durchzubrechen versuchen. Hoffentlich klappt das; dann wird es schon alles gutgehen. Ich hoffe auf jeden Fall immer noch, und mag es im Augenblick noch so schlimm um uns stehen.
Nun, lieber Onkel, empfange die innigsten Grüße von Deinem Neffen Heinrich. Auch schöne Grüße an Tante Lisbeth und Bernhard

mfg
Josef
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in So, 18. November 2007, 18:28
Hallo,
hab hier eine interessante Seite gefunden,Private Fotos und Feldpostbriefe aus Stalingrad von Ekkehard Johlen


Siehe hier (http://www.lauritzen-hamburg.de/ekkehard_johler_stalingrad.html)

mfg
Josef




Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in Fr, 28. Dezember 2007, 19:59
»Wir wissen nun, was sich um uns ereignet...«

Aus einem Brief von Kurt Reuber, geboren am 26. Mai 1906 in Kassel, gestorben im Januar 1944 in russischer Kriegsgefangenschaft

In der Festung Stalingrad, 3. Dezember 1942
Zur äußeren Lage: Wir hocken zusammen in einigen Erdlöchern einer Steppenschlucht. Notdürftigst eingegraben und eingerichtet. Dreck und Lehm. Aus nichts wird etwas gemacht. Kaum Holz zum Bunkern. Mäßige Feuerstellen. Wasser von weither geholt, sehr knapp. Verpflegung noch zum Sattwerden. Ringsherum triste Landschaft in großer Monotonie und Melancholie. Winterwetter mit wechselnder Kälte. Schnee, Sturm, Prost, plötzlich Schlackwetter. Bekleidung gut: Wattehose, Pelzweste, Filzstiefel und mein unbezahlbarer Pelz, in dieser Lage mein bestes Stück. Seit Urlaub Kleidung nicht mehr vom Leib. Läuse. Mäuse nachts übers Gesicht. Sand rieselt in der Höhle aufs Lager. Ringsum Schlachtengetöse. Wir haben gute Deckung und haben uns gut verschanzt. Aufgesparte Reste werden geteilt. –

Festung Stalingrad, 29. Dezember 1942
Was liegt alles hinter uns - jene ersten Tage, in denen keiner ein und aus wußte, Angriff auf Angriff, von allen Seiten, Granaten, Panzer, Maschinengewehre, die furchtbare Stalinorgel, Bomben und alle Waffen, und alles Auge in Auge. - Aber die Kraft wächst mit der Gegenkraft. Man wird auch an den Zustand gewöhnt. Das Krachen läßt nicht mehr so sehr aufschrecken, man weiß sich in dieser Lage zu benehmen. Man hat das Notwendige zu seiner Sicherheit getan und läßt sich ruhig in seinem Bunker den Sand über den Kopf regnen und arbeitet oder liest oder unterhält sich weiter ... Die Transportflugzeuge schaffen Tag und Nacht. Was heißt Hunger? Man kann mit wenigem und noch wenigerem auskommen. Die Lage der Kranken und Verwundeten ist wieder erträglich, ich habe wieder Medikamente.

Festung .Stalingrad, 6.Januanr 1943
Stündliches Warten auf Abruf. In diesem Hangen und Würgen ist es mir doch gelungen, Dir ein Bild von mir zu zeichnen. Vielleicht siehst Du es ihm an, unter welchen Umständen es entstanden ist, teils tags, teils nachts, zwischen ärztlicher Arbeit, Schlachtenlärm, Bomben, Schneesturm, Deckungsnehmen und allem Durcheinander - und bei meiner Schau der inneren und äußeren Dinge. h wollte noch weiterarbeiten. Da plötzlich Abruf, Abbruch der Arbeit. Junkers-Flugzeuge sind gekommen, der Kommandeur nimmt die Sachen mit. W. schreibt heute von einem Kessel, der nur noch nach oben offen ist. ,Ja, nach oben, innere und äußere Rettung!

Stalingrad, 7. Januar 1943
Kaum eine irdische Hoffnung mehr, den sicheren Tod vor Augen oder ein Schrecken ohne Ende in Gefangenschaft, irgendwo in, Raum aller Unbarmherzigkeit. - Wir wissen nun, was sich um uns ereignet hat. Anfängliche Hoffnung auf eine baldige Wende hat sich zerschlagen, wir wissen, daß wir noch lange aushalten müssen. Soweit es menschenmöglich ist, ist es mir bisher gelungen,innerlich aufrecht zu bleiben und nicht drohenden Verzweiflungsdanken zu verfallen. - Wir haben uns tief in die Erde eingegraben, die wir so unendlich lieben. Alles andere weiß ich im ewigen Schicksalswillen eingeschlossen. Du ahnst nicht, was diese dunkelste Zeit für ein Menschenleben bedeutet, diese Prüfungen müssen sich segnend an uns auswirken.

Quelle:Der zweite Weltkrieg in Bildern u.Dokumenten (1965)

mfg
Josef
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in Di, 11. März 2008, 21:07
Aus dem letzten Feldpostbrief des Hauptmanns Hahn von der Korpsnachrichten-Abteilung 60.

...Bitte traue und weine nicht um mich,wenn Du dieses,mein letztes Lebenszeichen erhältst.Ich stehe hier draußen auf verlorenem Posten in der Schicksalsstadt Stalingrad.Seit Monaten eingeschlossen,werden wir morgen zum letzten Kampf Mann gegen Mann antreten,und ich bin sehr stolz bei diesem einzigartigen Heldenepos der Geschichte als deutscher Offizier teilhaben zu dürfen.Ich verabschiede mich also von Dir,die Du mir immer eine liebende Kameradin warst....

mfg
Josef
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in Fr, 15. Februar 2019, 22:45
Feldpostbriefe des Gefreiten Hans Rappe

http://www.brauweiler-kreis.de/wp-content/uploads/GiW/GiW1993_2/GiW_1993_2_BRAUTMEIER_STALINGRAD.pdf (http://www.brauweiler-kreis.de/wp-content/uploads/GiW/GiW1993_2/GiW_1993_2_BRAUTMEIER_STALINGRAD.pdf)

mfg
Josef
Titel: Re: Letzte Briefe aus Stalingrad
Beitrag von: md11 in Fr, 15. Februar 2019, 22:49
Seinen letzten Brief aus Stalingrad schrieb Gustav Ambrunn kurz vor dem Jahreswechsel 1942/43, am 30. Dezember.

https://www.mittelbayerische.de/region/cham-nachrichten/die-letzten-zeilen-aus-stalingrad-20909-art1204894.html (https://www.mittelbayerische.de/region/cham-nachrichten/die-letzten-zeilen-aus-stalingrad-20909-art1204894.html)

mfg
Josef